Nato und Ukraine: Erdgas aus Russland oder Krieg mit Russland?

Ruinen des internationalen Flughafens "Sergej Prokofjew", Donezk, 24. Dezember 2014. Bild: "Правда НР / Pravda DPR, CC BY 3.0

Kiews Botschafter in Deutschland fordert eine Aufnahme seines Landes in den Nordatlantikpakt. In Brüssel gilt das zu Recht als ausgeschlossen

Im Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 versucht sich die ukrainische Führung weiterhin in eine günstigere Position gegenüber Russland zu bringen. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel das energiepolitische Vorhaben vor gut einem Monat in Washington verteidigt und zugleich deutliche Worte an Moskau gerichtet hat, ist der Regierung in Kiew offenbar klargeworden, dass sich Nord Stream 2 kaum mehr verhindern lässt.

So versucht Präsident Wolodimir Selenski nur noch, das Beste für sein Land auszuhandeln.

In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt forderte der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk nun im Gegenzug zu der Gasleitung eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes ein.

"Die Ukraine braucht keine Zusicherungen, sondern konkrete verbindliche Sicherheitsgarantien seitens der USA und Deutschlands, am besten im Rahmen einer zügigen Nato-Mitgliedschaft", so Melnyk. Es brauche "neuem Mut in Washington, Berlin und Brüssel, die Ukraine schnellstmöglich ins nordatlantische Verteidigungsbündnis aufzunehmen", fügte er an.

Dass die Ukraine das Vorhaben nicht nur aus sicherheitspolitischen Erwägungen heraus verhindern will, sondern auch wirtschaftliche Gründe für die Blockadehaltung hat, machte zeitgleich Jurij Witrenko, der Chef des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns, deutlich.

Witrenko appellierte zeitgleich zu den Einlassungen des ukrainischen Botschafters an die US-Regierung von Joe Biden, die Gasleitung doch noch zu verhindern. "Auch wenn sie wohl zu 99 Prozent fertig ist, gehen wir immer noch davon aus, dass sie gestoppt werden kann und sollte", sagte Witrenko im Interview der Nachrichtenagentur Reuters.

Es sei daher notwendig, dass die Biden-Regierung die Aufhebung der US-Sanktionen gegen das europäische Infrastrukturprojekt rückgängig macht. Biden hatte die US-Strafmaßnahmen der Vorgängerregierung unter Donald Trump, die auch deutsche Unternehmen betroffen hatten, zuvor ausgesetzt.

Regierung Biden hat Widerstand aufgegeben

Die ukrainische Führung befürchtet, mit der neuen Gasleitung, die über gut 1.200 Kilometer von der russischen Narwa-Bucht bis zum deutschen Hafen von Lubmin verläuft, die wichtige und auch schützende Rolle als Transitland zu verlieren.

Der massive Widerstand der Ukraine – teilweise in Einheit mit den USA – hatte in den vergangenen Jahren größere Zerwürfnisse auch zwischen den Nato-Partnern zur Folge gehabt.

Der Grund ist, dass die europäische Energiesicherheit und große europäischen Konzerne betroffen sind. So war es auch für Deutschland eine neue Erfahrung, unmittelbar von den USA sanktioniert zu werden.

Denn die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 sitzt zwar – auch das wohl mit Hintergedanken – in der Schweiz. Finanziell beteiligt aber sind wichtige deutsche Akteure wie der in Düsseldorf ansässige Versorger Uniper, Wintershall Dea, aber auch das Energieunternehmen Shell und der österreichische Konzern OMV.

Dem Vorstoß des ukrainischen Botschafters liegt wohl auch die Erkenntnis zugrunde, dass das Projekt nicht mehr zu verhindern ist. So betonte er gegenüber der Welt den Charakter von Nord Stream 2 als "größtes geopolitisches Projekt des Kreml" sowie "weitere akute Bedrohung der Ukraine".

Seine Regierung wende sich weiterhin gegen die Fertigstellung der Gaspipeline: "Wir sind nach wie vor gegen dieses höchst riskante Unterfangen, das Europa spaltet und unsere Sicherheit massivst untergräbt".

Im Grunde handelt es sich bei diesen Vorstößen aber nur noch um Rückzugsgefechte Kiews. Die Regierung Selenski versucht mit Unterstützung transatlantischer Partner das beste Resultat auszuhandeln.

Als Bundeskanzlerin Merkel vor wenigen Wochen zum Abschiedsbesuch nach Washington reiste, betonte Biden seine Auffassung von einem "schlechten Deal". Er sprach das Thema aber nicht öffentlich an, sondern schickte seine Sprecherin Jen Psaki vor. Washington beharrt nur noch auf Kompensationszahlungen Deutschlands an die Ukraine.