Hambacher Forst: Armin Laschet agierte illegal

Bild: Kathrin Henneberger/Twitter

Gericht bescheinigt der Düsseldorfer Landesregierung und damit dem CDU-Kanzlerkandidaten einen rechtswidrigen Großeinsatz der Polizei

Die Räumung des Hambacher Forst im Rheinland im September 2018 war eines der auslösenden Momente der neuen Klimaschutzbewegung in Deutschland. Rund zwei Wochen lang hielt seinerzeit einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Nordrhein-Westfalens die Republik in Atem. Der Wald war der Ausweitung des gleichnamigen Braunkohletagebaus im Wege und sollte gefällt werden.

Nun hat am gestrigen Mittwoch das Kölner Verwaltungsgericht festgestellt, was schon vor drei Jahren von vielen angenommen wurde: Die gewalttätige Räumung der Baumhäuser war rechtswidrig. Die Begründung für den Einsatz sei vorgeschoben gewesen. (Aktenzeichen Az.: 23 K 7046/18. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.)

"Vor allem sei aus der Weisung des Ministeriums erkennbar, dass die Räumungsaktion letztlich der Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst gedient habe. Das aber sei nicht Zweck der angewandten baurechtlichen Regelungen zum Brandschutz, die insofern nur vorgeschoben worden seien. Überdies sei schon die Bezeichnung der zu beseitigenden Anlagen als 'Baumhäuser' unbestimmt, da eine Vielzahl unterschiedlicher Anlagen geräumt und beseitigt worden seien. Zudem sei vor Erteilung der Weisung nicht hinreichend geprüft worden, welche der Anlagen bauliche Anlagen im Rechtssinn seien und damit überhaupt von den Bestimmungen des Brandschutzes erfasst würden."
Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Köln

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hatte dies seinerzeit bereits im Gespräch mit Bürgern zugegeben. Der WDR berichtete darüber ein Jahr später, doch der Beitrag verschwand schon nach zweieinhalb Stunden aus der Mediathek, wie der Spiegel beobachtet hat.

Der heute noch auf Youtube zu findende Beitrag macht deutlich, dass Laschet seinerzeit persönliche Verantwortung übernahm. Für die Anweisungen waren zwar formal zwei seiner Ministerinnen und Minister verantwortlich.

Aber in der Originalquelle, auf die sich der WDR bezieht, die auf Twitter kursiert und dem Autor dieser Zeilen bekannt ist, aber aus rechtlichen Gründen nicht verlinkt werden kann, sagt Laschet: "Ich brauche einen Vorwand, sonst kann man da nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen. Ich wollte den Wald räumen."

Nun ist es also sozusagen auch amtlich. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann allerdings noch Berufung eingelegt werden, aber vermutlich würde das den Braunkohlegegnerinnen und -gegnern sogar recht sein. Denn so wäre noch mehr Gelegenheit, auch vor Gerichten etwas Licht in das Geschehen zu bringen.

Im Auftrag der RWE

Denn wie zwischenzeitlich auch Akteneinsicht den engen Kontakt zwischen Polizei, dem Braunkohlekonzern RWE, der ab dem 1. Oktober roden wollte, und den Verwaltungsjuristen gezeigt. Auch die zunächst von Innenminister Herbert Reul (CDU) geleugneten Kontakte zur RWE-Spitze vor der Räumung sind inzwischen belegt.

Über 20 Millionen Euro soll der Polizeieinsatz, von einigen Kritikern seinerzeit als größter in der Geschichte des Landes bezeichnet, gekostet haben. Mehrere Personen wurden seinerzeit bei der Räumung durch Polizisten schwer verletzt.

Ein engagierter junger Internet-Journalist starb, als er aus großer Höhe zu Boden stürzte. Zuvor hatte er berichtet, dass die Polizei die Presse nicht in die Nähe des Geschehens lasse und er sich deshalb in die Struktur aus Baumhäusern und Hängebrücken begeben habe.

Alles, um mit illegalen Mitteln einen alten Wald für einen Energieträger zu vernichten, der wie kein anderer zur Klimakrise beiträgt und den niemand mehr brauchen würde, wenn nicht, wie Anfang Sommer in NRW geschehen, der Ausbau der Windenergie mit Mindestabständen abgewürgt würde. Windräder, auch von Kleinwindanlagen, müssen dort nun mit 1.000 Meter rund doppelt so viel Abstand zu Wohnbebauung halten wie Kohlekraftwerke, Sprengungen in Steinbrüchen oder die Braunkohletagebaue.

Rodung gestoppt

Letztlich verfehlten Gewalt und Repression aber ihr Ziel und erwiesen sich gesellschaftspolitisch als regelrechter Rohrkrepierer. Die Tagebaugegnerinnen und -gegner ließen sich nicht einschüchtern. Ein Gericht stoppte schon damals die von RWE ab Anfang Oktober geplante Rodung.

Bereits in der ersten Oktoberwoche wurden einige neue Baumhäuser errichtet. Hier auf Twitter erklärt eine junge Kölner Klimaschützerin, wie sie die Räumung erlebte und wie sie durch das Vorgehen von RWE, Polizei und Landesregierung politisiert wurde.

Letztlich wurde in den Verhandlungen um den Kohleausstieg die Zusage erzielt, dass der Wald nicht gerodet wird. Allerdings hat RWE den Tagebau inzwischen so weit an seinen Rand vorgetrieben, dass nicht sicher ist, ob er langfristig genug Grundwasser zum Überleben haben wird.

Nachahmer

Das Hambacher Beispiel machte derweil Schule. In den vergangenen Jahren ist es vielerorts zu kürzeren oder längeren Waldbesetzungen gekommen, um zum Beispiel Rodungen für die Erweiterungen eines Stahlwerks wie bayerischen Meitingen zu verhindern.

Oder wie im schleswig-holsteinischen Flensburg, wo ein wertvolles innerstädtisches Biotop vor einem Immobilienprojekt geschützt werden sollte. Dort nutzt eine sozialdemokratische Bürgermeisterin die Corona-Pandemie und erließ im Dezember 2020 für einige wenige Tage eine Ausgangssperre, um diese als Räumungsvorwand nutzen zu können.

Bundesweite Schlagzeilen machte letztes Jahr gut einen Monat vor den Ereignissen in Flensburg die Waldbesetzung im osthessischen Dannenröder Wald, wo der Bau eines Teilstücks der Autobahn A49 verhindert werden sollte und wo, diesmal mit grüner Regierungsbeteiligung, ähnlich brachial wie im Hambacher Forst von der Polizei geräumt wurde.