Der Krieg, der Terror und wir

Luftaufnahme der Reste des World Trade Centers nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Bild: Slasheap, CC BY-SA 2.0

Der 11. September 2001 war ebenso eine Zäsur der Weltgeschichte wie der 31. August 2021. Ob das positiv oder negativ ist, haben wir in der Hand. Ein Telepolis-Leitartikel

Natürlich werden all die Mythen zum heutigen 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 nun wieder aufgewärmt: Die Lihop-Theorie etwa, und die Mihop-Theorie. Der israelische Geheimdienst Mossad als Drahtzieher der Zerstörung des World-Trade-Centers, eine Sprengung der Türme als wahrer Grund, ein Versicherungsbetrug des Pächters, ferngesteuerte Flugzeuge, überhaupt keine Flugzeuge …

Die Debatten über solche Theorien ist eine weitere Tragödie von 9/11, weil sie von den wichtigen Fragen ablenken:

Wie hat sich die Welt seit jenem sonnigen New Yorker Dienstagmorgen verändert? Und warum?

Überdies sind viele der Theorien nichts mehr als eine intellektuelle Beleidigung. Wenn Antisemiten jedweder Couleur etwa bis heute behaupten, der Mossad sei verantwortlich, weil bei den Anschlägen keine Menschen jüdischen Glaubens ums Leben gekommen seien, so ist das einfach widerlegbar: 270 der Opfer gehörten dieser Religionsgruppe an.

Auch die Motive "Let it happen on purpose" (Lihop) oder "Make it happen on purpose" (Mihop) sind müßig zu diskutieren. Denn all das ist Geschichte. Wie skurril die hartnäckige Debatte über diese Überlegungen ist, zeigt die historiografische Spiegelung: Diskutieren wir heute über den Vietnam-Krieg oder den Tonkin-Zwischenfall? Gedenken wir jährlich der bis zu 80 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs oder diskutieren wir das Geschehen um den Sender Gleiwitz?

Einige dieser Debatten mögen ihre Berechtigung haben. Sie haben aber auch ihren Platz und Rang in der Geschichte.

Das Dilemma schließlich besteht darin, dass durch viele wirre Behauptungen und Konstrukte eine sachliche und wichtige Debatte über die Anschläge verhindert wurde. Etwa um die Frage, wer das Terrornetzwerk um Osama Bin Laden unterstützt hat.

Wenn Familien der knapp 3.000 in New York, Washington und Pennsylvania Ermordeten erst jetzt rechtliche Schritte gegen die Saudi-Diktatur unternehmen – und gegen die eigene Regierung, die diese Strukturen deckt –, dann ist das eine Spätfolge dieser Verdrängung und Verwirrung.

Wenn der deutsche Botschafter in Pakistan dem dortigen Al-Qaida-Unterstützer-Regime kurz vor dem heutigen Jahrestag singend zum "Defense Day" gratuliert, dann zeigt das den Mangel an politischer Klarheit – oder Anstand.

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