Geht dem Ozean der Sauerstoff aus?

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Steigende Temperaturen und Sauerstoffarmut könnten die Ozeane stärker verändern als je zuvor. Schaffen es die Meeresbewohner nicht, sich an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen, sterben sie aus

Tonnenweise Fische und Krustentiere wurden im August an die Strände des Mar Menor im Südosten Spaniens geschwemmt, darunter Seepferdchen und kleinere Fischarten. Mehrere Strände wurden abgeriegelt. Trotzdem drang der faulige Gestank bis zu den Touristen, denen die Lust auf ein Bad in der schmutzigen Brühe längst vergangen war.

Umweltschützer schätzen, dass bis zu fünfzehn Tonnen Fische verendet sind. Es war das zweite große Fischsterben in der größten Salzwasserlagune Europas. Das erste Fischsterben war 2019 durch einen Starkregen ausgelöst worden, der die nahe gelegenen Felder überflutet hatte.

Das Süßwasser wurde mit dem von Düngemitteln kontaminierten Schlamm ins Meer gespült - eine tödliche Mischung, die den Sauerstoffgehalt in der Salzlagune erheblich reduzierte. Bilder von Fischen, die aus dem Wasser sprangen und nach Sauerstoff schnappten, gingen durch die Medien. Mindestens drei Tonnen Meerestiere sind verendet. Ähnliche Ursachen könnten nun auch dem aktuellen Fischsterben vorliegen, schätzten die Anwohner. Diesmal kommen die hohen Temperaturen noch hinzu.

Umweltschützer wie Pedro García warnen seit Anfang der 1990-er Jahre vor dem drohenden Kollaps an den spanischen Küsten. Bisher haben die Behörden die Warnungen nicht ernst genommen. Stattdessen wurde ein Küstenabschnitt von mehr als zwanzig Kilometern Länge mit Hotelanlagen zugebaut. Es dauerte nicht lange, da waren die Kläranlagen überlastet, so dass ein Teil der Abwässer im Mar Menor landete.

Auch die überdüngten Obst- und Gemüseplantagen in der Region Murcia haben ihren Anteil an der Katastrophe. Denn die Pflanzen werden nicht nur intensiv bewässert, sondern auch massiv gedüngt. Das von Düngemitteln verunreinigte Gießwasser gelangt über die Fließgewässer in den Mar Menor. Zudem werden salzhaltige Schlacken, die aus den Entsalzungsanlagen anfallen, illegal in die Lagune geleitet.

Gemeinsam mit der Umweltministerin Teresa Ribera hofft Garcia als Vorsitzender der ortsansässigen Umweltorganisation ANSE, ein Konzept zum Schutz der Lagune ausarbeiten zu können. Denkbar wäre zum Beispiel das Verbot von Düngemitteleinsätzen für Fincas, die weniger als eineinhalb Kilometer von der Lagune entfernt liegen.

Stellt sich die Frage: Ist das Fischsterben an der Küste Spaniens ein Hinweis auf das bevorstehende Massensterben in den Weltmeeren?

Sinkende Sauerstoffwerte setzen Meeresbewohner unter Stress

Weltweit erleben Ozeane Hitzewellen mit Rekordtemperaturen, sinkenden Sauerstoffgehalten und undurchlässigen Wasserschichtungen. Zudem lässt die Versauerung den gelösten Kalk in Form von Aragonit knapp werden.

Wissenschaftler um Katie Lotterhos von der Northeastern University Marine Science Center in Nahant kommen zum Schluss, dass die Bewohner der Ozeane in bis zu 82 Prozent der marinen Areale völlig neuartige Bedingungen erleben werden. Für die Meeresorganismen bedeutet dies, dass sie keine Chance haben auszuweichen. Sofern sie nicht in der Lage sind, sich anzupassen, sterben sie aus, schlussfolgern die Autoren in einer jüngst veröffentlichten Studie.

Mit Hilfe von Messdaten und einem Klima-Ozean-Modell rekonstruierten Katie Lotterhos und ihr Team, wie sich Temperaturen, pH-Wert und Kohlendioxidgehalt der oberen Wasserschichten seit dem Jahr 1800 weltweit veränderten. Von diesem Modell ausgehend erstellten sie eine Prognose für die Entwicklung bis 2100 bei gemäßigtem Klimaschutz und weitgehend unkontrollierter Erwärmung.

Zwischen 1800 und 2000 haben sich die Ozeane zwar stark verändert. Bisher jedoch ist keine Umweltnische komplett verschwunden. Im Zeitraum von 2000 bis 2100 allerdings werde ein substanzieller Anteil der globalen Meeresoberfläche ein mittleres bis extremes Ausmaß von verschwindenden Nischen erleben, schreiben die Autoren. Unter Annahme eines gemäßigten Klimaszenarios beträfe dies rund 35 Prozent der heute noch existierenden Bedingungen, im Worst-Case-Szenario könnte es sogar 95 Prozent aller Nischen treffen.

In welchem Maße werden die bisherigen marinen Klimabedingungen verschwinden? Inwieweit und wodurch werden die neuartigen Bedingungen ohne historische Entsprechung auftreten? In welchen Regionen wird es Temperaturen, pH-Werte oder Kohlendioxidgehalte geben, an die kein heute lebender Organismus angepasst ist?

Diese und ähnliche Fragen müssen noch eingehender untersucht werden. Erste Anzeichen für klimatische Veränderungen gibt es bereits im Indischen Ozean, dem tropischen Atlantik und im südwestlichen bzw. äquatorialen Pazifik.

Maritime Nischen des Überlebens werden immer kleiner

Anders als regionale Verschiebungen können solche grundlegenden globalen Veränderungen dazu führen, dass Meeresbewohner die für sie nötigen Umweltbedingungen dann nirgendwo mehr vorfinden. Vielen von ihnen gelang es bisher, in erträglichere Gewässer auszuweichen, die kühler oder weniger versauert sind.

Doch in immer mehr Regionen werden sich Temperaturen, pH-Wert und Kohlendioxid-Gehalt immer stärker verändern. Je nach Szenario könnte dies bis Ende des Jahrhunderts zwischen zehn und 82 Prozent der Meeresoberfläche betreffen, genauer gesagt die tropischen Meere, die Arktis und die subpolaren Ozeangebiete der Südhalbkugel.

Vor allem in den Tropen und den gemäßigten Breiten der Südhemisphäre finden sich Umweltnischen, die innerhalb der nächsten achtzig Jahre verschwunden sein könnten. Betroffen wären damit vor allem Meeresgebiete, die als Hotspots der marinen Artenvielfalt gelten. Zwar werden sich Organismen mit breiten Toleranzgrenzen gegenüber Temperatur oder pH-Wert bis zu einem gewissen Maß anpassen können. Für viele andere Spezies könnten die Veränderungen allerdings das Ende bedeuten.

Dabei schätzen die Wissenschaftler ihre Prognosen eher konservativ ein, wurden doch viele wichtige Aspekte wie Nahrungsverfügbarkeit und Ozeandynamik, die sich auch mit dem Klimawandel ändern, im gegenwärtigen Modell nicht berücksichtigt. Denn mit den sinkenden Sauerstoffgehalten, veränderten Meeresströmungen oder den indirekten Effekten stabiler werdender Wasserschichten werden sich die Bedingungen in völlig neue Bereiche verschieben.

Gletscherschmelze lässt Meeresspiegel ansteigen

Angesichts außergewöhnlich hoher Temperaturen schmolz der grönländische Eisschild nach Angaben dänischer Wissenschaftler auf Polar Portal in diesem Sommer massiv ab. Demnach kletterten die Temperaturen in Grönland Anfang August auf mehr als 20 Grad Celsius, mehr als doppelt so viel wie üblicherweise im Sommer.

Die Arktis erwärmt sich dreimal schneller als Territorien anderswo auf der Welt. Das Schmelzen des grönländischen Eisschildes mit einer Fläche von fast 1,8 Millionen Quadratkilometern begann 1990 und beschleunigt sich seitdem von Jahr zu Jahr. Inzwischen ist der Massenverlust etwa viermal so groß wie vor 2000.

In 25 Jahren könnte die Arktis im Sommer komplett eisfrei sein, lautet die Prognose des Klimaforschers Dirk Notz. Wenige Schollen könnten sich bestenfalls in einigen Buchten im Norden Grönlands und im kanadischen Inselarchipel halten. Die würden es nicht einmal mehr auf eine Fläche von einer Million Quadratkilometern bringen.

Das Team um den Hamburger Wissenschaftler stellte verschiedene Szenarien auf , angefangen von starken Klimaschutzbemühungen bis hin zu einem permanent hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Demnach werde es wohl auch im Fall eines ambitionierten Klimaschutzes immer wieder Jahre geben, in denen es im September am Nordpol eisfrei bleibt.