Arbeitslosigkeit: Widerstand gegen Forderung aus Union für Arbeitsdienst

In Deutschland schon mal gescheitert: Arbeitsdienst, hier auf dem "Reichsparteitag" in Nürnberg. Bild: Bundesarchiv, CC BY-SA 3.0 DE

Sozialverbände und Gewerkschaften weisen Vorstoß von CDU, CSU und Freien Wählern als Wahlkampfpopulismus zurück

Konservative Politiker haben es kurz vor der Wahl zum Bundestag schwer: Ihnen sind die Themen ausgegangen und sie wissen sich kaum zu helfen, wie sie noch punkten können. Vor diesem Hintergrund ist wohl die jüngste Forderung führender Unionspolitiker und der Freien Wähler nach einem obligatorischen Arbeitsdienst für Langzeitarbeitslose zu verstehen.

Sie drängen auf einen solchen Arbeitsdienst, angelehnt an die Politik der Sozialdemokraten in Dänemark. Die dänische Regierung hatte kürzlich angekündigt, Arbeitslose für gemeinnützige Arbeiten bis zu 37 Stunden in der Woche zu verpflichten. Und die deutschen Konservativen glauben nun offenbar auch, mit Müllsammeln und Laubharken könnten Menschen wieder fit gemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt.

Telepolis hat bei Sozialverbänden, staatlichen Stellen und Institutionen nachgefragt und um Auskunft gebeten, welche Meinung man gegenüber dem Vorstoß der Christdemokraten und Freien Wähler hat. Nicht alle haben reagiert, manche wollten keine Position beziehen.

Unter anderem der Deutsche Städte- und Gemeindebund wollte sich nicht äußern, solange keine Details für den Arbeitsdienst bekannt seien. Einige erklärten hinter vorgehaltener Hand, solche Forderungen würden vor jeder Wahl erhoben, um die Mittelschicht gegen vermeintliche Faulenzer aufzuhetzen.

Beim Bundesministerium für Arbeit (BMAS) gab man dem Arbeitsdienst eine Abfuhr: "Aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive ist das dänische Vorhaben nicht sinnvoll, da nicht zu erwarten ist, dass die zu tätigenden Arbeiten eine nachhaltige Integration in den regulären Arbeitsmarkt befördern", sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

In seiner Antwort verwies das BMAS, auch in der Bundesrepublik könnten Hartz-IV-Empfänger verpflichtet werden, an bestimmten Maßnahmen teilzunehmen. Laubharken und Müllsammeln geht auch schon jetzt - und mancherorts werden Hartz-IV-Empfänger dafür eingesetzt.

Gegenleitung oder Integration?

Das BMAS betont aber:

Im Unterschied zum dänischen Vorhaben, ist es nicht Ziel dieser Maßnahmen, für die erhaltenen Leistungen eine Gegenleistung zu erbringen bzw. sich gesellschaftlich einzubringen. Ziel dieser Maßnahmen ist es vielmehr, die individuelle Chance auf eine Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt zu verbessern. Systemtisch betrachtet besteht in Deutschland die geforderte Gegenleistung gegenüber dem Steuerzahler somit nicht darin, gemeinnützig tätig zu werden, sondern darin, aktiv an Maßnahmen der eigenen Eingliederung mitzuwirken.

Bundesministerium für Arbeit

Solche Arbeitsgelegenheiten sind aus Sicht des BMAS vor allem für Menschen geeignet, die sich erst wieder an eine feste Tagesstruktur gewöhnen und überhaupt wieder befähigt werden müssen, einer Lohnarbeit nachzugehen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Erwerbslosenverein Tacheles lehnten die Idee des Arbeitsdienstes auf Nachfrage grundsätzlich ab.

"Der Verein Tacheles lehnt einen Arbeitsdienst für Arbeitslose schärfstens ab", schrieb dessen Vorsitzender Harald Thomé, da ein solcher Zwangsdienst nicht zur Arbeitsmarktintegration geeignet sei. "Geeignet wäre, Beratung, Unterstützung, Weiterbildung und Umschulung und Hilfen wie beispielsweise zur Erlangung eines Führerscheins, Kfz oder auch für ein Fahrrad."

Sinnvoll wäre auch, so Thomé weiter, dass nachgewiesene Arbeit bei gemeinnützigen Organisationen mit 2,50 Euro je Stunde durch öffentliche Mittel entlohnt würden. "Das schafft Motivation, würde die gemeinnützige Arbeit boomen lassen und würde eine nachhaltige Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt ermöglichen." Dagegen sei der von Christdemokraten geforderte Arbeitsdienst nichts anderes als Zwangsarbeit, die von Tacheles abgelehnt werde.

Ein Sprecher von Ver.di erklärte gegenüber Telepolis, dass die Gewerkschaft überhaupt nichts von solchen Ideen eines Arbeitsdienstes halte. Diese "korrespondieren nicht mit unserem Menschenbild und ebenso wenig mit den Realitäten unseres Wirtschaftssystems".

Denn es werde suggeriert, dass Arbeitslose an ihrem Schicksal selbst schuld seien und "deshalb – gleichsam als Buße – verpflichtet werden sollen, für die materiellen Leistungen der Allgemeinheit eine Gegenleistung zu erbringen".