Das Billionen-Renten-Wahlversprechen

Wie bei einer weiteren Regierungsbeteiligung die Zukunft der Jugend an den Aktien- und Finanzmärkten gefährdet werden könnte

Das ist keine Satire und keine Fake-News: CDU und CSU versprechen, sollten sie an die Regierung kommen, eine "Generationenrente". Aus Steuermitteln sollen Kinder bis zum 18. Lebensjahr 100 Euro monatlich auf ein Fondskonto überwiesen bekommen. Pro Jahr sind das 17 Milliarden Euro.

In den kommenden Jahrzehnten werden so über 800 Milliarden Euro in Aktien- und Finanzmärkte gepumpt, bevor auch nur ein Euro zurückfließt. Ein sozial- und wirtschaftspolitisches Wahnsinnsprojekt!

Im Wahlprogramm der CDU/CSU werden die 100 Euro nicht genannt, es befindet sich aber in einem CSU-Konzept mit dem Titel "Starterkit" aus dem Januar 2020.

Um die Dimension des Vorhabens "Generationenrente" deutlich und nachvollziehbar zu machen (Heutige Werte und die Rente ab 67 werden in der Betrachtung festgeschrieben):

Es leben 13,8 Millionen Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland. Wenn jeder 100 Euro im Monat erhält, sind nach 18 Jahren 21.600 Euro auf das Rentenkonto eingezahlt. Der Staat übernimmt Jahr für Jahr eine Gesamtsumme von 16,6 Milliarden Euro für einen irgendwie gearteten "Generationen-Pensionsfonds".

Der erste jetzt 18-Jährige geht mit 67 Jahren, also in 49 Jahren, in Rente. Dann befinden sich in dem staatlich gefütterten Rentenfonds 813 Milliarden Euro.

Dabei wird es nicht bleiben, denn CDU/CSU kündigen unter der Überschrift "Private Vorsorge neugestalten" ein "Standardvorsorgeprodukt" an. "Dieses Produkt ist verpflichtend für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer…".

Absicht ist also, dass nach dem 18. Lebensjahr weiter Geld in gewaltigem Umfang weggespart wird. Unterstellt, es würden weiterhin 100 Euro pro Monat vom 18. bis 67. Lebensjahr sein, würden aus Lohngeldern weitere 1,12 Billionen Euro auf den Fondskonten landen.

Aus heutiger Sicht befänden sich dann im Jahr 2070 knapp 2.000 Milliarden, also zwei Billionen, Euro auf den Pensionskonten und erst danach würde ein Abfluss für Rentenleistungen erfolgen.

Finanzpolitiker machen die Sozialpolitik

Vermutlich bekommen selbst die hartgesottenen Vorstände der Finanzkonzerne Black Rock, Allianz und Co. bei diesen Zahlen feuchte Augen. Es wird ihre Aufgabe sein, mit diesen gewaltigen Summen zu "arbeiten" und dabei Jahr für Jahr wachsende Gebühren, Boni und Dividenden zu kassieren.

Sozialpolitisch ist das die schrittweise Abgabe der Altersversorgung an den Aktien-Casino-Betrieb. Die Risiken sind gigantisch - wer kann auch nur erahnen, was in den kommenden 50 Jahren an politischen, ökonomischen und ökologischen Veränderungen, Umbrüchen oder Katastrophen geschehen wird.

Fonds können zusammenbrechen, sich in Luft auflösen oder kräftig entwertet werden. Das hat die Geschichte der letzten 150 Jahre gelehrt und eine Konsequenz daraus war die Einführung der umlagefinanzierten Rente im Jahr 1957.

Die CDU/CSU will die Sozialpolitik in die Zeit von vor 1957 zurückregieren. Sie ist da wahrlich nicht allein und die SPD-Grünen-Regierung hatte ja bereits seit dem Jahr 2000 mit dem Abbruch der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen.

Wirtschaftspolitisch ein gefährlicher Irrweg

Bei Realisierung der Rentenpläne würden riesige Summen aus dem Wirtschaftskreislauf herausgeleitet werden. Der sinkende Konsum würde Rezessionen provozieren bzw. verstärken.

Die neoliberale Ideologie, dass Spargelder für Investitionen sorgen, hat sich in den letzten Jahrzehnten vielfach als Trugbild herausgestellt. Vielmehr hat sich bestätigt, dass fehlende Nachfrage zum Abbau von Produktions- und Dienstleistungskapazitäten führt.

Die umgeleiteten Milliarden werden nach Lage der Dinge ausschließlich in die Finanzmärkte fließen und damit die Mega-Blase, die derzeit aufgepumpt wird, oder die folgenden Blasen enorm befeuern.

Die Größenordnung von zwei Billionen Euro entsprechen etwa dem doppelten der gegenwärtigen Marktkapitalisierung der 30 größten Dax-Konzerne.

Aber hat das Projekt "Generationenrente" mit anschließendem "Standardvorsorgeprodukt" Aussicht auf Realisierung?

Leider muss man dies bejahen, wenn die CDU/CSU die Regierungsmacht behalten. Die direkt profitierenden Finanzkonzerne haben ihre Propaganda- und Lobbyabteilungen rechtzeitig positioniert, um Öffentlichkeit und Politik zu bearbeiten.

Das Boulevardblatt Bild titelte im Januar 2020:

BILD weiß schon jetzt - die Christsozialen planen einen echten Renten-Hammer, der für mehr Generationengerechtigkeit sorgen soll. Und zwar von Geburt an.

Andere Medien stimmten ein, oder berichteten "neutral". Verbraucherzentralen trommelten schon seit Langem für Rentenanlagen in Aktienfonds und begrüßten die CSU-Initiative.

Ein Garant für das Megaprojekt wäre Friedrich Merz, der als künftiger Finanz- und/oder Wirtschaftsminister gehandelt wird. Er war bis März letzten Jahres Chef-Lobbyist des weltgrößten Vermögensverwalters in Deutschland. Black Rock verwaltet 6,8 Billionen US Dollar.

Seine rentenpolitischen Ziele sind eindeutig an den Interessen der Finanzindustrie ausgerichtet. Einige Aussagen aus den vergangenen drei Jahren:

Ich bin (…) heute auch der Auffassung, dass der Gesetzgeber eine Verpflichtung zur privaten, kapitalmarktorientierten Vorsorge für das Alter ernsthaft prüfen sollte, in welcher Form auch immer. (…)

Es ist uns allen klar, dass die gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft nur eine Basisabsicherung sein kann. Sie wird den Lebensstandard im Alter nicht sichern.

Deutschland muss zur privaten Altersvorsorge aber gerade den Aktienbesitz fördern, so Merz weiter, und die "zusätzliche betriebliche Altersversorgung (müsse) als Ultima Ratio auch gesetzlich verpflichtend" gemacht werden.

Das Billionen-Wahlversprechen der CDU/CSU ist ein Versprechen an die Finanzkonzerne. Die riesigen Pensionsfonds sind Finanzpolitik pur, mit Sozialpolitik haben sie nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Zur Finanzierung der Altersversorgung der demnächst in Rente gehenden geburtenstarken Jahrgänge werden sie keinen Beitrag leisten. Im Gegenteil: das Zwangssparen verhindert die angemessene Altersversorgung. Es ist sozialpolitisch totes Kapital mit toxischen Nebenwirkungen.