Darmkrebs bei Männern fast doppelt so häufig wie bei Frauen

Schematische Darstellung von Darmkrebs und Polyp. Bild: Blausen Medical Communications, Inc., CC BY 3.0

Über die Häufigkeit von Dickdarmkrebs in Deutschland in Abhängigkeit von Risiko- und Schutzfaktoren dieser chronischen Krankheit

Die Krebskrankheiten umfassen eine Vielzahl chronischer Krankheiten, bei denen Körperzellen unkontrolliert wachsen und gesundes Gewebe verdrängen und zerstören können. Diese sind nach Herz-Kreislaufkrankheiten wie Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall die zweithäufigste Todesursache in Deutschland.1

Aber nicht jeder Krankheitsverlauf bei Krebs endet tödlich. Jährlich wird bei etwa 500.000 Menschen in Deutschland eine Krebserkrankung neu diagnostiziert und etwa 250.000 sterben daran. Das bedeutet, dass die Hälfte der Betroffenen die Krebserkrankung überleben können. Es lohnt sich also, dafür etwas zu tun.

Bei den Männern stehen in Deutschland der Prostatakrebs und bei den Frauen der Brustkrebs an der Spitze der Häufigkeit, gefolgt vom Darmkrebs, bei dem es sich fast immer um einen Dickdarmkrebs handelt.

Bei den Krebssterbefällen steht bei Männern der vor allem durch das Tabakrauchen verursachte Lungenkrebs mit mehr als einem Viertel aller Todesfälle weit oben an der Spitze, gefolgt vom Darmkrebs und Prostatakrebs. Bei Frauen ist der Brustkrebs weiterhin die am häufigsten zum Tode führende Krebserkrankung, gefolgt vom Lungenkrebs und Darmkrebs.

Deutlich mehr Männer als Frauen vom Darmkrebs betroffen

Wie kürzlich in einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt berichtet wurde, erkranken Männer häufiger am Darmkrebs als Frauen. Jedes Jahr erkranken etwa 55.000 Menschen in Deutschland an Darmkrebs. Die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate bei Männern liegt bei 46 pro 100.000 pro Jahr, bei Frauen dagegen nur bei 28.

Noch deutlicher ist dieser Geschlechtsunterschied, wenn die fortgeschrittenen Krebsvorstufen betrachtet werden, die so genannten fortgeschrittenen Adenome. Ein Wissenschaftlerteam aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat jetzt untersucht, wie bekannte und vermutete Risiko- und Schutzfaktoren zu dieser deutlich höheren Erkrankungsrate bei Männern beitragen.

Bekannt ist, dass weibliche Geschlechtshormone, die sogenannten Östrogene, die zum Beispiel im Rahmen einer Hormonersatztherapie eingenommen werden, zwar das Brustkrebsrisiko erhöhen, aber das Darmkrebsrisiko senken.

Auf der anderen Seite ist für Männer dokumentiert, dass ein höherer Konsum von Tabakprodukten und rotem Fleisch zwei Lebensstilfaktoren sind, die das Darmkrebsrisiko steigern.

Die Arbeitsgruppe des DKFZ in Heidelberg hat untersucht, in welchem Ausmaß die verschiedenen in Frage kommenden Risiko- und Schutzfaktoren den Geschlechtsunterschied bei der Krankheitsinzidenz erklären.

Die Forscher werteten dazu Daten von fast 16.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der "KolosSal-Studie" aus. Dies ist eine Saarland-weite Studie zur Effektivität der Früherkennungskoloskopie.

Die Heidelberger Epidemiologen berücksichtigten für ihre aktuelle Untersuchung alle bekannten oder auch mutmaßlichen Risiko- und Schutzfaktoren für Darmkrebs. Diese sind:

  • Alter;
  • familiäre Vorgeschichte;
  • Diabetes;
  • frühere Koloskopie;
  • Einnahme von Aspirin und Statinen (ein Arzneimittel zur Cholesterinsenkung);
  • Rauchen;
  • Alkoholkonsum;
  • Gewicht und Körpergröße;
  • körperliche Aktivität;
  • Verzehr von rotem Fleisch und Wurst, Obst, Gemüse oder Vollkornprodukten sowie
  • bei Frauen die Anwendung von Hormonersatztherapien.

Bei Männern wurden bei der Vorsorgekoloskopie altersstandardisiert doppelt so häufig Darmkrebs oder fortgeschrittene Adenome gefunden wie bei Frauen.

Nach umfassender Adjustierung für die verschiedenen Risiko- und Schutzfaktoren zeigte sich, dass sie etwa die Hälfte des Risikoüberschusses der Männer erklären. Bei Krebserkrankungen des Enddarms fällt der Einfluss dieser Faktoren noch etwas weniger ins Gewicht als bei Tumoren des übrigen Dickdarms.

Das bedeutet, dass die Ursache für die andere Hälfte des Risikoüberschusses für Darmkrebs bei Männern noch unbekannt ist.

Die Heidelberger Forscher betonen, dass die Ergebnisse unter anderem verdeutlichen, wie wichtig es insbesondere für Männer sei, die Möglichkeiten zur Darmkrebsvorsorge wahrzunehmen, das heißt, Stuhltests auf Blut durchzuführen oder sich sogleich für eine Vorsorgedarmspiegelung zu entscheiden.

Wie erhöhter Fleischverzehr Darmkrebs verursachen könnte

In einem weiteren Artikel, der ebenfalls kürzlich im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, konnte gezeigt werden, wie erhöhter Fleischverzehr Krebs auslösen könnte.

Darmkrebspatienten mit einem erhöhten Verzehr von rotem Fleisch oder Wurstwaren in der Vorgeschichte hatten in einer Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift Cancer Discovery häufiger eine alkylierende Gensignatur in der Darmschleimhaut, die das Krebswachstum auslösen könnte.

Bekanntlich stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) seit 2015 verarbeitetes Fleisch, sprich Wurstwaren, als krebserregend als Gruppe-1-Karzinogen und rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend als Gruppe-2A-Karzinogen für den Menschen ein.

Die WHO begründete dies mit epidemiologischen Daten (Menschen mit hohem Fleischkonsum erkranken häufiger an Krebs) und tierexperimentellen Studien (Füttern mit Fleisch kann Krebs auslösen). Die Erkenntnisse zu dem genauen Pathomechanismus waren aber begrenzt.

Inzwischen sind mit der Gensequenzierung neue Erkenntnisse gewonnen worden. Ein Team vom Cancer Institute in Boston hat das Exom – das sind die Abschnitte des Erbguts, die die Baupläne für Proteine enthalten – von 900 Patienten analysiert, die an Darmkrebs erkrankt waren.

Die Exom-Analyse wurde einmal im Tumor und zum anderen in der normalen Schleimhaut durchgeführt. Dahinter stand die Idee, dass Veränderungen in beiden Gewebeproben eher auf einen Auslöser hinweisen. Wenn die Veränderungen nur im Tumor auftreten, könnten sie auch Folge des genetischen Chaos sein, zu dem es bei einem Krebswachstum kommt.

Die Patienten waren zuvor als Teilnehmer der beiden Nurses’ Health Studies oder der Health Professionals Follow-Up Study alle zwei Jahre nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt worden. Deshalb konnten die Ergebnisse mit dem früheren Fleischkonsum der Patienten in Verbindung gebracht werden.

Die Forscher entdeckten in den Gewebeproben sieben verschiedene Muster von Mutationen, die sie als Signatur bezeichnen. Eine Signatur war durch Mutationen gekennzeichnet, die auch nach dem Einsatz von alkylierenden Zytostatika wie etwa Temozolomid beobachtet werden.

Diese Krebsmedikamente führen zur Bildung von Alkylgruppen in der DNA, was in höherer Dosis die Krebszellen zerstört. Bei niedriger Dosierung können alkylierende Substanzen jedoch auch Krebs auslösen.

Ein Vergleich mit den früheren Ernährungsgewohnheiten ergab, dass die alkylierende Signatur häufiger bei Darmkrebspatienten auftrat, die in der Vergangenheit gerne und häufig Fleisch und Wurstwaren verzehrt hatten. Für die anderen sechs Signaturen war kein Zusammenhang mit der früheren Ernährung nachweisbar.

Es ist deshalb möglich, dass Substanzen im verzehrten Fleisch eine alkylierende Wirkung haben. Ein weiteres Indiz ist, dass die alkylierende Signatur vor allem im distalen Dickdarm gefunden wurde. Hier treten auch die meisten Darmkrebserkrankungen auf, die mit der Ernährung in Verbindung gebracht werden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

  1. Der Darmkrebs ist etwa doppelt so häufig bei Männern wie bei Frauen.
  2. Bei Berücksichtigung aller bekannten und mutmaßlichen Risiko- und Schutzfaktoren für Darmkrebs können diese nur 50 Prozent des Risikoüberschusses erklären.
  3. Die Ursache für die andere Hälfte des Risikoüberschusses für Darmkrebs bei Männern ist unbekannt.
  4. Hinsichtlich der ernährungsabhängigen Risikofaktoren für Darmkrebs gibt es neue Erkenntnisse.
  5. Bei Darmkrebspatienten mit einem erhöhten Verzehr von rotem Fleisch oder Wurstwaren in der Vorgeschichte wurde häufiger eine alkylierende Gensignatur in der Darmschleimhaut, die das Krebswachstum auslösen könnte, nachgewiesen, die mit dieser Ernährungsform in Zusammenhang gebracht werden konnte.
  6. Wenn man sich fragt, was man tun kann, um dem Darmkrebs vorzubeugen, ist eine Lebensstiländerung zu empfehlen, zu der neben dem Verzicht auf Tabakrauchen eine gesunde Ernährung mit wenig (rotem) Fleisch und Fett und viel Obst und Gemüse gehört.
  7. Weiterhin sind als Vorsorgemaßnahmen regelmäßige endoskopischen Untersuchungen des Dickdarms empfehlenswert. Die gesetzlichen Krankenkassen empfehlen die erste Darmspiegelung mit 50 Jahren für Männer und für Frauen ab 55 Jahren, wenn kein bekanntes erhöhtes Risiko für Darmkrebs besteht. Ist der Befund unauffällig, genügt eine erneute Darmspiegelung nach zehn Jahren.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de