Stehen die privatisierten Regionalbahnen auf der Kippe?

eurobahn; Bahnhof: Nienburg (Weser) Bild (2018): Clic/ CC BY-SA 4.0

Mit der Privatisierung der Regionalbahnen wollte man über Wettbewerb das Angebot im Nahverkehr verbessern. Ruf nach Rück-Verstaatlichung wird inzwischen lauter

Mit der Abschaffung der "Beamtenbahn" wollte man den schienengebundenen Verkehr dem Wettbewerb öffnen und die Deutsche Bahn an die Börse bringen. Vom Börsengang hat man inzwischen Abstand genommen und die Schienennetzinfrastruktur auch nicht aus dem Konzern herausgelöst.

Lediglich beim Regionalverkehr hat man begonnen, die einzelnen Strecken auszuschreiben und den Betrieb im Wettbewerb auch eigenständigen Gesellschaften zu übertragen, falls deren Angebot günstiger war als das der Deutschen Bahn.

In Baden-Württemberg durfte die Deutsche Bahn als Gegenleistung für den Bau von Stuttgart 21 noch für einige Zeit ihre alten Garnituren nutzen, die teilweise noch aus der DDR stammten. Nicht ohne Grund waren diese alten Garnituren mit dem Namen Mappus verknüpft. Der damalige Ministerpräsident hat der Bahn für ihr Altmaterial zudem mehr Geld zugesichert, als andere Bundesländer für vergleichbare Leistung mit einem neuen Fuhrpark bezahlen mussten.

Während das Netz der Deutschen Bahn sich weiterhin im Besitz des Konzerns befindet und von der bahneigenen Netzgesellschaft betrieben wird, fällt der Regionalverkehr inzwischen nicht mehr in die Zuständigkeit des Bundes, sondern wird von den einzelnen Bundesländer ausgeschrieben und vergeben.

Wem gehört der Fahrzeugpark der privatisierten Privatbahnen?

Üblicherweise werden die Fahrzeuge von einer landeseigenen Gesellschaft nach der Vorstellung des Bestellers der Leistung erworben und dann für die Laufzeit des jeweiligen Vertrags an den Betreiber vermietet, das das günstigste Angebot für den Betrieb abgegeben hat.

Dieses Vorgehen erscheint für das jeweilige Bundesland kostengünstiger zu sein, weil die landeseigene Gesellschaft günstigere Finanzierungskonditionen bekommt als ein privater Besteller und das Land letztlich geringere Kosten hat, weil es bei einer Beschaffung durch den Betreiber dessen Kosten und einen kalkulatorischen Aufschlag erstatten müsste.

Die Angebote der Betreiber, die einen Fuß in den Markt der deutschen Regionalbahnen bekommen wollten, waren meist sehr knapp kalkuliert. Sie umfassten in erster Linie die reinen Betriebskosten mit den Personalkosten, die Wartung einschließlich der dafür nötigen Einrichtungen sowie das Wartungspersonal. Nach Möglichkeit suchte man sich einen Kapitalgeber, der schon auf internationale Erfahrung bei Finanzierung oder Betrieb von Bahngesellschaften zurückgreifen konnte.

In der Praxis stehen heute vielfach staatliche Eisenbahngesellschaften hinter den deutschen Regionalbahnbetreibern. Die Laufzeit der nach den Ausschreibungen vergebenen Betriebsverträge beträgt meist um die zwölf Jahre.

Welche Kosten beim Bahnbetrieb waren nicht einkalkuliert?

Seit der Zeit, als aus der "Beamtenbahn" die börsenfähige Deutsche Bahn wurde, hat man beispielsweise die Investitionen in das Netz zurückgefahren und vorhandene Überholgleise vielfach zurückgebaut. Der Rückbau des Netzes geht jedoch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, als etwa das zweite Gleis der Gäubahn zwischen Singen und Stuttgart abgebaut wurde, das bis heute fehlt.

Dass die bundesdeutsche Netzgesellschaft mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch den Bund jetzt die Strecken ertüchtigt, ist von allen Seiten gewünscht. Leider führt das im Betrieb zu Verspätungen, die gemäß den bestehenden Verträgen mit Strafzahlungen belegt werden. Wird ein Schienenersatzverkehr (SEV) benötigt, weil die Schienenstrecke baubedingt unterbrochen ist, muss der Betreiber für den SEV aufkommen.

Auf manchen Bahnstrecken kam es auch dadurch zu enormen Kostensteigerungen, weil das Angebot von den Fahrgästen besser angenommen wurde als bei Vertragsabschluss angenommen. So musste die damalige Breisgau-S-Bahn die Strecke zwischen Freiburg und Breisach in Mehrfachtraktion bedienen, um die Nachfrage zu befriedigen, was zu erhöhter Abnutzung der Fahrzeuge geführt hat, die aus den Erlösen des Betriebs nicht zu decken waren. Auch Lohnsteigerungen während der Vertragslaufzeit werden von den Bestellern der Leistungen nicht übernommen.

Mit Abellio, einer Tochter der Abellio Transport Holding aus Utrecht, welche die Aktivitäten der niederländischen Staatseisenbahn Nederlandse Spoorwegen im Personenverkehr außerhalb der Niederlande zusammenfasst, hat kürzlich der erste Betreiber aus dem deutschen Regionalbahnbetrieb ein Schutzschirmverfahren beantragt, weil die Muttergesellschaft nicht mehr bereit war, für die Verluste in Deutschland aufzukommen.

Wie soll es mit dem privatisierten Regionalverkehr weitergehen?

Nachdem zuerst mit einer Beendigung des Bahnbetriebs durch Abellio zum 1. Oktober zu rechnen war, ist der Betrieb in Baden-Württemberg nun wohl bis zu Jahresende gesichert. In Nordrhein-Westfahlen hat man eine Fortführung bis zum 31. Januar 2022 gesichert.

In Sachsen-Anhalt soll der Betrieb jetzt bis 2023 gesichert sein. Welche finanziellen Zugeständnisse gemacht wurden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, ist bislang noch nicht bekannt.

Es ist damit zu rechnen, dass in der Folge auch Keolis, eine Tochter des Konzerns Keolis S.A., dessen Mehrheitseigentümer die französische Staatsbahn SNCF ist und die in Deutschland unter dem Namen "eurobahn" fährt sowie die Transdev, die u.a. die Nordwestbahn betreibt und die zur italienischen Staatsbahn Trenitalia S.p.A. zählende Netinera-Grupe mit Nachforderungen an die jeweiligen Besteller herantreten werden.

Da wundert es wenig, wenn jetzt Forderungen nach einer Rückkehr zur Staatsbahn aufkommen. Offensichtlich ist der Markt nicht in der Lage, die in Folge der Privatisierung entstandenen Probleme zu lösen.

Das Problem im öffentlichen Nahverkehr ähnelt dem in anderen Bereichen, die so mancher als Teil der Daseinsfürsorge sieht, als da wären Krankenhäuser und Kliniken oder die leitungsgebundene Energieversorgung.