Forencheck: 2G-Party, geimpfte Covid-Tote und Lieferkettengesetz

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Wochenkolumne

Check 1: Superspreader-Ereignis durch Schummler?

In einem Kommentar zum Artikel "G ist nicht gleich G" heißt es:

Jüngst haben sich auf einer 2G-Party in Düsseldorf mindestens 63 von insgesamt ca 380 Gästen mit Corona infiziert

Es wäre äußerst interessant - und angesichts der anhaltenden 2G-Debatte auch von öffentlichem Interesse - wie sich die Infizierten auf Geimpfte, Genesene und eventuelle Schummler aufteilen - und wie die Verteilung insgesamt unter den Gästen aussah.

User _festus_

Über die Infektionen auf der 2G-Party in Münster ist in zahlreichen Medien berichtet worden, nicht nur im oben angeführten Artikel der BZ. Die Stadtverwaltung Münster selbst teilte am 17. September mit:

Inzwischen sind 85 Neuinfektionen mit dem Coronavirus nach einer Partynacht unter 2G-Regelung (geimpft oder genesen) in einem münsterschen Club im Bahnhofsviertel registriert worden. Von diesen Betroffenen sind 64 wohnhaft in Münster. Aktuell sind 59 Impfnachweise der Betroffenen eingereicht und überprüft worden. Bisher konnte bei der Überprüfung dieser Impfnachweise kein Verstoß festgestellt werden. Das vom Club bereits Mitte August eingebrachte Hygienekonzept wird verwaltungsseitig als vorbildlich bewertet. Die Betroffenen haben bislang milde Symptome oder sind asymptomatisch.

Muenster.de

Die Frage, wie viele der Partygäste insgesamt geimpft und wie viele genesen waren, lässt sich mit Sicherheit nicht beantworten, denn am Einlass werden ja nur die Zugangsvoraussetzungen überprüft, aber keine Statistik geführt. Ebenso wäre es übrigens bei einer 3G-Veranstaltung.

Wie beim WDR zu lesen ist, sind Veranstalter in Nordrhein-Westfalen gar nicht verpflichtet, Kontaktlisten zu führen: "Da die aktuelle Coronaschutzverordnung des Landes NRW keine Rückverfolgbarkeit von Gästen vorsehe, gestaltet sich die Suche nach weiteren möglicherweise betroffenen Kontakten schwierig."

Darauf, dass es "Schummler" unter den Gästen gegeben hat, deutet nichts hin. Dass sich auch Geimpfte mit Sars-Cov-2 anstecken, insbesondere in Innenräumen und ohne Maske und Abstand, ist nicht verwunderlich, eine Studie der Universität Oxford lässt zum Beispiel darauf schließen, dass geimpfte Infizierte eine ähnlich hohe Viruslast haben wie ungeimpfte Infizierte.

Das Superspreader-Ereignis in Münster zeigt aber auch, dass Geimpfte und Genesene durch Antikörper vor schweren Krankheitsverläufen geschützt sind, bislang hatte niemand schwere Symptome. Problematisch an solchen 2G-Veranstaltungen bleibt allerdings, wenn die Gäste im Nachgang Ungeimpfte in ihrem Umfeld infizieren. Dieses Problem lässt sich nur mit einer hohen Impfquote in der Bevölkerung lösen.

Check 2: 80 Prozent Geimpfte unter Covid-19-Toten?

Zum Artikel Impfung und Ansteckung bemerkt ein Kommentator:

In UK waren im August 80 Prozent der Covid-Toten geimpft Das zeigt folgende Recherche, die ganz auf offiziellen Daten basiert: The Exposé.

User andy55

Das ist zwar eine richtige Aussage, die Interpretation der Daten in dem genannten Artikel führt aber in die Irre. Zunächst einmal: Die Zahlen stammen aus Schottland und nicht dem gesamten Vereinigten Königreich. Der Artikel arbeitet mit einem sehr partiellen Blick auf die Todesstatistik. Kritisiert wird an den Zahlen des Public Health Service, dass nur Gesamtsterbezahlen seit Beginn der Pandemie veröffentlicht werden.

Dagegen setzen die Autor:innen die Todesfälle in einer Augustwoche und stellen fest:

Ungeimpfte Bevölkerung - 6 Todesfälle
Teilweise geimpfte Bevölkerung - 2 Todesfälle
Vollständig geimpfte Bevölkerung - 34 Todesfälle.

The Exposé

Nun lässt sich aus den Zahlen einer Woche kein allgemeingültiger Trend ablesen. Allerdings hat der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer bereits Ende Juni in Spektrum über die britischen Coronastatistiken und die Einordnung von Todesfällen Geimpfter berichtet.

Menschen mit geschwächtem Immunsystem wie Krebskranke oder Organtransplantierte haben, ebenso wie alte Menschen, allgemein ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu erkranken und zu sterben. Und vieles deutet eben darauf hin, dass die Impfungen bei diesen Gruppen vor schweren Erkrankungen und Tod nicht so vollständig schützen, wie die Zahlen in den Studien an gesunden Menschen ergeben hatten. Es sterben also in den Risikogruppen ebenfalls voll geimpfte, wenn auch weniger als ohne Impfung. Die Delta-Variante erhöht diesen Anteil womöglich zusätzlich, um diesen Effekt einzuschätzen, fehlen aber derzeit noch die Daten.

Lars Fischer

Betrachten wir also die oben angeführten Sterbezahlen einer Augustwoche in Schottland nach Altersgruppen, stellt sich heraus, dass unter den voll Geimpften 18 Sterbefälle auf die über 80-Jährigen entfielen, 9 auf die über 70-Jährigen und 6 auf die über 60-Jährigen. Lediglich eine doppelt geimpfte Person unter 60 starb an Covid-19.

Bis zum 26. August haben fast 100 Prozent der über 60-Jährigen ihre zweite Impfdosis erhalten. Ergo: In dieser Altersgruppe kann es fast gar nicht mehr zu Erkrankungen und Todesfällen unter Ungeimpften kommen, weil es fast keine Ungeimpften mehr gibt.

Da die Vergleichsgruppe der Ungeimpften in dem Alter entfällt, wirkt es plötzlich so, als erhöhe die Impfung das Sterberisiko um ein Vielfaches, was in dem Artikel in The Expose behauptet wird. Während in den jüngeren Altersgruppen, in denen es noch Ungeimpfte gibt, das Sterberisiko von vornherein um ein Vielfaches geringer ist.

Die Schlussfolgerung des Artikels ist also falsch, wie es auch Correctiv kürzlich schon für einen ähnlichen Beitrag in The Exposé gezeigt hat.