Die Grünen sind eine prima Partei und retten die Welt. (Vielleicht.)

Auch die "Partei" intervenierte in den Öko-Wahlkampf 2021. Bild: @martinsonneborn

Bei wem der moralische Impetus der Öko-Partei verfängt, sollte einen Blick auf ihre Geschichte und innere Funktionsweise werfen

Viel Verwunderung gibt es nicht darüber, dass und wie die Grünen nach ihrem Wahlerfolg mit CDU, SPD und FDP verhandeln. Vor der Wahl hatte die Öko-Partei ziemlich dick aufgetragen - so als sei eine Rettung der Welt nur noch möglich, wenn sie zukünftig die Führung hätte.

Da ist es schon bemerkenswert, dass die Grünen jetzt, nachdem Annalena Baerbock die Eroberung des Kanzleramts nicht gelungen ist, problemlos mit Parteien um Ämter und Absprachen schachern, von denen sie doch angeblich so viel und so Grundsätzliches trennt.

Dem aufgeklärten Wähler ist allerdings sowieso klar, dass es allen "um die Macht geht". Man wundert sich schon lange über nichts mehr. Schon gar nicht darüber, dass sein laut politischer Bildung wichtigstes demokratisches Einfluss-Mittel, die Wahlstimme, nicht einmal dazu taugt, die künftige Führung der Nation auszuwählen (geschweige denn Einfluss auf irgendwelche politischen Inhalte zu nehmen), sondern lediglich eine Größe ist, auf die sich die Parteien in ihrer Koalitions-Diplomatie berufen.

Gleichzeitig schaffen es die politischen Führungsfiguren dieser "Lager" allerdings schon wieder, ihr einvernehmliches Geschacher um Einfluss und Beteiligung in den nächsten vier Jahren wichtigzumachen – als Auseinandersetzung um die Geschicke der Nation "gerade jetzt", die sie selbstverständlich mit dem größtmöglichen Verantwortungsbewusstsein bestreiten.

In diesem Metier haben die Grünen unbestreitbar eine neue Meisterschaft entwickelt: Sie sind ständig im Namen allerhöchster Werte unterwegs und leiten daraus eine Menge Selbstgerechtigkeit und Ansprüche ab.

Im Folgenden ein Rückblick auf das Lehrstück, wie und wohin sich eine ehemals neuartige Protestpartei im demokratischen Procedere entwickelt hat.

Friedens- und umweltbewegt, basisdemokratisch

Das waren einmal lustige Bilder, als die grüne Partei gegründet wurde. Langhaarige junge Männer in Latzhosen, bunt angezogene Frauen mit roten Haaren, Kinder und Strickzeug auf Parteitagen, dazu erregte Diskussionen über politische Ziele und Wege.

So sah es aus, als Ende der 70er ein Teil der ehemaligen Studentenbewegung beschlossen hatte, sich für den "Marsch durch die Institutionen" eine eigene Partei zu erfinden und die Kritik am politischen Establishment nicht mehr außerparlamentarisch, sondern in den deutschen Parlamenten durchzusetzen.

Gegen alle damals im Bundestag vertretenen Parteien traten die Grünen als Anti-Kriegspartei auf ("Raus aus der Nato"); sie verlangten, dass neben der sozialen Frage auch die Natur berücksichtigt werden müsse (Saurer Regen und Waldsterben, AKW’s und Endlagerung, Dünnsäureverklappung in der Nordsee, FCKW’s und Ozonloch usw. usf.).

Dabei führten sie die kritisierten politischen "Probleme" darauf zurück, dass die deutsche Demokratie mit ihren starren Formen nicht wirklich demokratisch sei, sondern zu einer abgehobenen politischen Elite geführt hatte. Dagegen setzten sie Basisdemokratie, das Rotationsprinzip und Frauenquoten.

Das waren moralisch-humanistische Vorstellungen von einer friedlichen, "ökologischen" (ein neues Wort in der politischen Debatte) und aufgeklärteren Gesellschaft – Ideen, die man damals relativ ernsthaft gegen die damalige Republik stellte.

Im Unterschied zu den Teilen der Studentenbewegung, die "radikal" blieben und weiter für die Abschaffung "des Systems" eintraten, unterstellten die Gründer der neuen Partei damit allerdings, dass das Land tatsächlich im gewünschten Sinne veränderbar sei.

Ob es sich bei den genannten "Problemen" um etwas handelte, was eigentlich bei etwas gutem Willen oder staatlich erzwungener Rücksichtnahme wirklich beseitigt werden könnte oder ob man es hier mit System-Notwendigkeiten einer kapitalistischen Gesellschaft zu tun hat, die die Vermehrung von Geld und Kapital zum Zweck hat und deshalb "die Springquellen des Reichtums, den Arbeiter und die Natur untergräbt" (so sinngemäß Marx im Kapital) - gegenüber solchen Fragen stellte sich der grüne Gründungsidealismus ignorant.

Kein Wunder also, dass man sich auch herzlich wenig dafür interessierte, ob eine solche Gesellschaft genauso gut auf ihr Militär und die Ausbeutung der Lohnabhängigen verzichten kann wie auf die Diskriminierung Homosexueller.

Inzwischen ist viel Wasser den Rhein heruntergeflossen. Die grüne Partei hat sich erfolgreich in Landesparlamente und Bundestag gekämpft, hat sich gegen die anfangs unverhohlene Verachtung der etablierten Parteien, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Gehässigkeiten der öffentlichen Berichterstattung gegen die "Körnerfresser" und "Radfahrer" (!) durchgesetzt und dann auch ziemlich schnell "Regierungsverantwortung" übernommen, weil sie für die "Koalitionsarithmetik" tauglich erschien.

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