Es rumpelt gewaltig am Immobilienmarkt in China

Von Evergrande entwickelte Wohngebäude in Pingyuan "New Area", Yuanyang. Foto: Windmemories/CC BY-SA 4.0

Nachdem der große chinesische Immobilienkonzern Evergrande Fristen für fällige Zinszahlungen verstreichen ließ, folgten kleinere Konkurrenten wie Fantasia und Sinic

Dann waren es schon drei, könnte man angesichts der Tatsache sagen, dass nach dem chinesischen Immobilienriesen Evergrande nun auch zwei kleinere Immobilienkonzerne auf eine Insolvenz zusteuern. Auch die chinesische Immobilienblase scheint definitiv zu platzen. Zu erkennen war sie schon vor mehr als fünf Jahren. Spitzt sich diese Krise aktuell zu und weitet sie sich zu einer Bankenkrise aus wie in der Finanzkrise ab 2008?

Alles begann vor einigen Wochen mit dem hochverschuldeten Evergrande-Konzern. Der chinesische Immobilienriese hat offiziell mehr als 300 Milliarden US-Dollar an Schulden angehäuft. Es ist damit der am höchsten verschuldete Immobilienentwickler der Welt.

Allerdings ist Evergrande nicht nur ein Immobilienkonzern, der fast 3.000 Projekte in mehr als 300 chinesischen Städten am Laufen hat. Der Konzern ist auch in der Automobil-, Gesundheits- und Fernsehbranche tätig. Er soll direkt etwa 200.000 Beschäftigte haben und indirekt stehen mit ihm weitere 3,6 Millionen Jobs in Verbindung.

Schon seit Wochen macht Evergrande Schlagzeilen. Immer wieder konnte der Konzern in den letzten Wochen fällige Verbindlichkeiten nicht bezahlen. Gleichwohl keimte auch immer wieder Hoffnung auf, dass dem Konzern doch noch ein Befreiungsschlag gelingen könnte. So noch einmal Ende September, nachdem es Evergrande gelungen war, eine Bank-Beteiligung für etwa 1,5 Milliarden Euro zu verkaufen. Doch damit konnte sich der Immobilienriese nur für sehr kurze Zeit Luft verschaffen.

Versuche eines Befreiungsschlags

Schon am vergangenen Montag näherte sich der Konzern der Insolvenz, als er erneut fällige Schulden nicht abbezahlen konnte. In diesem Fall war die Anleihe an Jumbo Fortune Enterprises im Umfang von 260 Millionen Dollar fällig. Da die Anleihe nicht getilgt werden konnte, hatte man es eigentlich schon mit einem Zahlungsausfall zu tun, da keine Nachfrist vorgesehen war. Als einzig möglicher Ausnahmefall galt eine Zeitspanne von fünf Werktagen bei administrativen oder technischen Fehlern, doch auch diese Frist ist inzwischen verstrichen.

Evergrande versucht gerade einen weiteren Befreiungsschlag. Chinesische Medien hatten berichtet, das Unternehmen wolle für mehr als fünf Milliarden Dollar insgesamt 51 Prozent eines Tochterunternehmens verkaufen. Es handelt sich dabei um die Property Services Group, die Immobilienmanagement betreibt. Evergrande hofft, sie an den Rivalen Hopson Development losschlagen zu können, um Liquidität zu erhalten. Fünf Milliarden Doller, das ist die magische Summe, die der Immobilienkonzern gerade anpeilt, um sich angesichts der Verbindlichkeiten einige Monate Luft zu verschaffen.

Nach Ansicht von Beobachtern könnte der Konzern damit theoretisch die nächsten sechs Monate überstehen. Bis zum Jahresende werden etwa 500 Millionen Dollar Zinsen für diverse Anleihen fällig. Im März steht zudem die eine Rückzahlung einer Anleihe im Umfang von zwei Milliarden Dollar an. Allerdings stehen darüber hinaus noch Zahlungen in ungekannter Höhe an Zulieferer aus, zudem soll das Unternehmen auch noch seinen Mitarbeitern mehrere Milliarden schulden.

"Ansteckungsgefahr"

Da der Konzern sehr groß ist, sorgen sich die Experten seit Längerem vor einer "Ansteckungsgefahr" innerhalb des Immobilienmarkts und darüber hinaus auch auf die gesamte chinesische Wirtschaft. Diese Gefahren sind nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich zieht die Krise inzwischen längst größere Kreise.

Auch der kleinere Konkurrent Fantasia Holdings hat inzwischen eine Frist für Zinszahlungen verstreichen lassen. Das Unternehmen hätte am vergangenen Montag etwa 206 Millionen Dollar bezahlen müssen, konnte das aber nicht, wie aus einer Pflichtmitteilung an die Börse in Hongkong hervorgeht.

Daraufhin wurde der Handel mit den Fantasia-Aktien ausgesetzt. Das Unternehmen seinen Sitz, wie Evergrande, in Shenzen bei Hongkong. Inzwischen wurde bekannt, dass eine Fantasia-Tochter einen Kredit über 108 Millionen Dollar an den Immobilienmanager Country Garden Services nicht zurückzahlen konnte.

Inzwischen wurde auch der Rivale Sinic von Ratingagenturen nach unten gestuft. "Die Herabstufung spiegelt unsere Ansicht wider, dass ein ausfallähnlicher Prozess begonnen hat", schreibt Fitch. Sinic-Tochtergesellschaften hätten ebenfalls fällige Zinszahlungen nicht bedient, woraufhin Gläubiger schon Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hätten.

Der Konzern befinde sich in einer ernsten Liquiditätskrise und die Fähigkeit zur Schuldenbedienung sei fast erschöpft. Für Sinic wird es nun ernst, da Anleihezinsen über 246 Millionen Dollar fällig werden.

Fantasia oder Sinic sind nicht wegen ihrer Größe bedeutsam, denn sie gehören nach ihrem Marktanteil, anders als der Immobilienriese Evergrande, eher ins Mittelfeld der Immobilienkonzerne. Doch zeigt sich daran, dass man es mit einem strukturellen Problem zu tun hat, das sich nicht auf einen Konzern wie Evergrande beschränken lässt. Zudem sind diese drei Konzerne nicht die einzigen, deren Geschäftsmodell nach Ansicht von Beobachtern implodiert.

Das Geschäftsmodell

Das Geschäft besteht im Wesentlichen darin, große Grundstücke in urbanen chinesischen Zentren zu kaufen (allerdings nicht in den Ballungszentren Peking oder Schanghai). Dort wurden dann sofort Immobilien entwickelt, gewöhnlich Hochhauskomplexe mit vielen Etagen, die an interessierte Käufer verkauft werden. Das alles geschah mit geliehenem Geld, vor allem von den zukünftigen Besitzern.

Oft konnten Evergrande und Co schon alle Wohnungen verkaufen, bevor der erste Spatenstich getätigt wurde. Mit dem eingenommenen Geld kaufte man sogleich neue Grundstücke und begann weitere große Projekte.

Diese Art Schneeballsystem ging so lange gut, solange die Bevölkerung zugegriffen hat und Wohnungen als Geldanlage und zur Spekulation benutzte. Doch dieses Modell, das früher oder später in sich zusammenfallen musste, hat nicht nur durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, sondern vermutlich auch durch politische Veränderungen einen schnelleren Todesstoß erhalten.

Unter anderem greift die chinesische Regierung längst in den heiß gelaufenen Markt ein und will es zudem auch ärmeren Leuten ermöglichen, eine Wohnung zu kaufen. Um die Blase nicht weiter aufzublähen, wurde auch die Kreditvergabe an Evergrande gedrosselt. Der Konzern ist vermutlich nur deshalb das erste Opfer, weil er es besonders toll getrieben hat.

Man kann inzwischen davon ausgehen, dass bald mehrere besonders hoch verschuldete chinesische Immobilienentwickler abgewickelt werden. Die Frage ist, ob es einen Dominoeffekt im chinesischen Immobilienmarkt gibt und wie groß er ausfallen wird. Geschätzt wird, dass fast 30 Prozent der Wirtschaftsleistung im Zusammenhang mit Immobilen generiert werden.

Es stellt sich deshalb auch die Frage, ob es mit dem Crash großer Unternehmen auch zu Banken-Crashs kommt, wie sie sich in den USA, Irland oder Spanien nach dem Platzen der jeweiligen Immobilienblasen in der Finanzkrise ereigneten.