Kommt nun die Schattenpandemie?

Bild: Tom Barrett/Unsplash

Ab heute müssen Corona-Tests selbst bezahlt werden. Ist es ein logischer Schritt oder ein Fehler, jene zur Kasse zu bitten, die sich der "Solidarität des Impfens" verweigern?

Wer ab heute essen gehen will und weder geimpft ist noch sich als Genesene(r) ausweisen kann, muss größere Ausgaben einkalkulieren. Die Zugangserlaubnis "Corona-Test" kostet jetzt Extra-Geld. Kostenlose Tests sind Ausnahmen vorbehalten. Die Verordnung, die heute in Kraft tritt, schreibt vor, dass die Tests nun in der Regel aus eigener Tasche zu bestreiten sind. Ob das auch die Gastronomie und Veranstalter zu spüren bekommen?

Wie teuer die Tests für die Bürger kommen, müsse sich unter den neuen Marktbedingungen "erst noch zeigen", berichtet die Tagesschau. Als Orientierung nennt n-tv Preise zwischen 15 und 25 Euro für Antigen-Schnelltests in Baden-Württemberg. Bei Hausärzten und an den Flughäfen wird es teurer. Von dort werden Preise von 35 Euro (Hausärzte) bis zu 45 Euro (Münchner Flughafen) für Tests berichtet.

Anbieter bekommen pro Schnelltest 11,50 Euro Vergütung, so die Tagesschau, für PCR-Test "gibt es etwa 43 Euro". Aber, so wird hinzugefügt: "Für Selbstzahler sind diese aber oft teurer - umso mehr, je schneller das Laborergebnis kommt."

Ausnahmen

Befreit von der Kostenpflicht sind Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, was über ein ärztliches Attest nachgewiesen werden muss. Für Kinder unter 12 Jahren, bzw. wenn sie erst in den letzten drei Monaten vor dem Test zwölf geworden sind, bleiben die Tests ebenso kostenfrei wie auch für Personen, die einen Test zum Beenden einer Quarantäne wegen einer Corona-Infektion brauchen.

Darüber hinaus gibt es noch eine Übergangsregelung:

Bis zum 31. Dezember 2021 können sich alle, die zum Zeitpunkt der Testung noch minderjährig sind, kostenlos testen lassen. Das Gleiche gilt auch für Schwangere. Zwar besteht für diese Personen seit August bzw. September 2021 eine generelle Impfempfehlung der ständigen Impfkommission. Um diesen Personen ausreichend Zeit zu gewähren, sich über die bestehenden Impfangebote zu informieren und einen vollständigen Impfschutz zu erlangen, haben sie bis Ende des Jahres weiterhin einen Anspruch auf kostenlose Testung.

Auch Studierende aus dem Ausland, die sich für ein Studium in Deutschland aufhalten und mit in Deutschland nicht anerkannten Impfstoffen geimpft wurden, können sich bis zum 31. Dezember 2021 kostenlos per Schnelltest testen lassen

Bundesregierung

Ausgenommen von der Kostenpflicht sind laut Bundesregierung auch "Personen, die an klinischen Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus teilnehmen oder in den letzten drei Monaten vor der Testung an solchen Studien teilgenommen haben, sich kostenlos mittels Schnelltest testen lassen".

Auch in Firmen könne man sich weiterhin kostenlos testen, heißt es in der Tagesschau mit Verweis auf die Bundesregierung. Die Zeit präzisiert, dass auch PCR-Tests nicht von der Selbstübernahme der Kosten betroffen sind, wenn sie von Ärzten oder dem Gesundheitsamt veranlasst werden: "Wenn also beispielsweise ein Arzt einen Patienten oder eine Patientin mit Symptomen, die auf Corona hindeuten, per PCR-Verfahren testen lässt, ist dieser Test für den Erkrankten kostenlos."

Aus der Politik kommen, wenig überraschend, Aussagen, die die Verpflichtung zum Zahlen der Tests aus eigener Tasche, beschlossen Mitte August von der Bund-Länder-Runde, hauptsächlich begrüßen.

Nachteile von Ungeimpften und Solidarität

Das zentrale Argument der Regierungspolitik greift der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) auf.

Das Impfen führt aus der Pandemie. [...] Die Tests waren so lange wichtig und zentral, so lange wir nicht jedem ein Impfangebot machen konnten. Jetzt können wir jedem ein Impfangebot machen und deswegen hat der Bund mit den Ländern entschieden, das Testregime jetzt zu ändern.

Klaus Holetschek

Ob tatsächlich jedem ein Impfangebot einer angemessenen Weise gemacht wird, wurde zuletzt vom Sozialverband VdK angezweifelt. Dort machte man sich Ende September aufgrund der zahlreichen Schließungen von Impfzentren "Sorgen über die Möglichkeiten für sozial Benachteiligte, sich impfen zu lassen". Präsidentin Verena Bentele forderte mehr niedrigschwellige Angebote (Impfzentren schließen, Impfappelle werden schärfer).

Wie stets hat auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach diesmal einen Kommentar zur Solidarität in Zeiten von Corona. Er rückt den Akzent auf die bewussten Impf-Verweigerer:

Es wäre falsch, denjenigen, die sich selbst der Solidarität des Impfens verweigern, unbegrenzt solidarisch die Tests zu bezahlen.

Karl Lauterbach

Ähnlich äußerte sich die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus gegenüber der Berliner Morgenpost.

Wenn man sich gegen eine Impfung entscheidet, können die Kosten für Tests nicht auf unbestimmte Zeit von der geimpften oder genesenen Solidargemeinschaft übernommen werden.

Christine Aschenberg-Dugnus

Wie hoch sich die Solidar-Kosten für die Tests genau belaufen, steht noch nicht fest. Im Tagesschau-Bericht heißt es hierzu, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei einer separaten Erfassung der "Bürgertests" durch Anfang Juli ermittelte, dass mehr als eine halbe Milliarde Euro abgerechnet wurden.

Die Diskussion über die zunehmenden Nachteile der Ungeimpften beschränkt sich freilich längst nicht auf die Kostenfrage (siehe dazu: 2-G-Modell und Ende kostenloser Schnelltests: ungerecht und gefährlich).

Der Arzt und Gesundheitsexperte der Grünen, Janosch Dahmen, warnt vor einer "Schattenpandemie". Ohne Gratistests würde die Dunkelziffer der Infektionen wachsen, so sein Argument. Sein Rezept: "Wer eine Impfberatung annimmt, sollte im Gegenzug einen Gratistest bekommen."