Bricht die Linkspartei mit der Friedensbewegung?

Eine Replik auf Stephan Schleim und seine Sicht auf die Wahlanalyse des Netzwerkes Frieden-Links in Telepolis

In einer Reaktion auf die Wahlanalyse des Netzwerkes Frieden-Links hat Telepolis-Autor Stephan Schleim mit zwei Grundsatzfragen reagiert:

Er fragt zum einen, ob Die Linke ihre Position zur Nato aufgegeben und darum so viele Wählerstimmen verloren habe. Damit verbunden sei die Relevanz des Friedensthemas in der Bevölkerung bzw. der öffentlichen Wahrnehmung. Und zweitens, ob die sozial-ökologischen Probleme lösbar wären, wenn man die Militärausgaben senkt.

Die Antworten auf beide Fragen sind komplex, aber einfacher zu beantworten, wenn man zunächst nach dem grundsätzlichen Anspruch einer Partei fragt, die sich als links bezeichnet.

Emanzipatorisch und aufklärerisch oder marginalisiert?

Politisch links zu sein war und ist ein emanzipatorischer und aufklärerischer Anspruch. Zu hinterfragen ist deshalb: Wie sieht es damit bei der Partei Die Linke friedenspolitisch aus?

Im Wahlprogramm der Linkspartei zur Bundestagswahl 2021 fanden sich auf den Seiten 133 bis 138 des 168 Seiten umfassenden Programmpapiers praktisch alle Themen und Forderungen, wie sie auch bei den jährlichen Ostermärschen der Friedensbewegung ähnlich kommuniziert werden.

Forderungen nach dem Verbot von Waffenexporten haben dabei innerhalb der Friedensbewegung durchweg Konsens. Anders hingegen sieht es aus, wenn es über die Forderung nach friedlichen Beziehungen zu Russland hinaus auch um eine Bewertung der russischen Außenpolitik geht. Im Wahlprogramm hieß es dazu:

In Strategiepapieren der Nato und EU werden Russland und China als Feindbilder beschrieben, das lehnen wir ab. Wir stellen uns gegen alle Formen des Imperialismus.

Diesen Satz kann man als Beispiel für weichgespülte Kompromissformeln ansehen. Wer Feindbilder aufbaut und mit welchen medialen Mitteln wird damit ebenso ausgeklammert wie die Frage, wer denn imperialistische Politik betreibt und warum.

Zu hinterfragen ist auch die praktische Relevanz solcher Passagen. Im zwölfseitigen Kurzprogramm wurde das friedenspolitische Engagement reduziert auf die Ablehnung der Waffenexporte. Der Umgang mit Russland ist hingegen angesichts des propagandistischen Trommelfeuers der letzten Zeit (Stichworte: Nawalny, Nord Stream 2) von zentraler Bedeutung, wenn man Friedenspolitik nicht nur als Forderungskatalog, sondern auch mit einer Analyse und Darstellung der Konfliktursachen kommuniziert.

Diese kann man mit einfachen Aussagen einbringen, wie dem im Wahlprogramm enthaltenen Zitat "Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen" des französischen Sozialisten Jean Jaures vor dem Ersten Weltkrieg. Leider fungierte dieses nur schmückendes Beiwerk, ebenso wie die an mehreren anderen Stellen des gesamten Wahlprogramms erfolgte Verwendung des Wortes Kapitalismus.

Im Kurzwahlprogramm tauchte der Kapitalismus überhaupt nicht mehr auf. Mit der Reduzierung auf die Frage der Waffenexporte wählte man das Thema, das am wenigsten Kontroversen auslöst. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn es um das propagandistische Trommelfeuer gegen Russland geht, das man nur noch als Kriegsgeschrei bezeichnen kann.

Pikant ist hierbei, dass im Bundestag z.B. in der Nawalny-Affäre die Kriegspartei AfD als einzige Fraktion die offiziellen Narrative kritisch hinterfragt hat, während die Fraktion Die Linke hier auf Tauchstation ging. Hingegen sah sich in der letzten Legislaturperiode der als Osteuropa-Beauftragte der Fraktion agierende Linken-Abgeordnete Alexander Neu als "Putin-Versteher" heftigen Anfeindungen ausgesetzt, auch innerhalb der eigenen Reihen.

Ein aufklärerischer Anspruch der Partei wäre es gewesen, nicht nur im Wahlprogramm, sondern vor allem in einem prägnanten Kurzprogramm den Kapitalismus als Kriegsursache auch mit aktuellen Bezügen zu nennen. Das hätte aber bedeutet, die Nato konkret als das aggressivste Militärbündnis weltweit zu benennen, als Werkzeug kapitalistischer Vorherrschaft mit den ungebrochenen unilateralen Ansprüchen des US-Imperiums.

Wenn von der aufklärerischen Rolle der Friedensbewegung die Rede ist, ergibt sich hingegen aufgrund der damit verbundenen, sehr breit angelegten gesellschaftlichen Bündnisse eine andere Handlungsebene. Aufklärung heißt hier etwa, Rüstungsexporte an kriegführende Staaten oder die für die Menschheit existenziell bedrohende Atombewaffnung stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen.

Die Analyse der kriegstreibenden Kräfte gehört hingegen in den Kontext einer gesamtgesellschaftlichen Analyse mit fundierter Kapitalismuskritik. Diese kann nur von einer linken Partei und nicht von Bündniskonstellationen geleistet werden.