Gefährlicher Tunnelblick auf Gesellschaft und Welt

Bild: I.Feist, CC BY-NC-ND 4.0

Warum wir unvoreingenommener auf China blicken sollten, weshalb Telepolis keine Schreibverbote erteilt und was unsere Leser meinen. Die Telepolis-Wochenrückschau mit Ausblick

Liebe Leserinnen und Leser,

im Journalismus herrschen mitunter klare Grenzen. Das betrifft in zunehmendem Maße nicht nur gesellschaftliche Konflikte hierzulande, etwa um die Corona- oder die Gender-Politik. Auch der Blick auf die Welt wird verengt. Nur selten finden sich Pressevertreter, die sich der Einbettung von Themen in vorgegebene Deutungsraster und politisch gesetzten Narrativen verweigern.

Einer dieser Kollegen ist der spanische Journalist Javier García. In dieser Woche haben wir über mehrere Tweets des bisherigen Leiters des Büros der spanischen Nachrichtenagentur EFE in Beijing berichtet. García übt darin harsche Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien über China.

"Die Manipulation von Informationen ist eklatant, wofür es täglich Dutzende von Beispielen gibt", schrieb er: "Jeder, der es wagt, sich damit auseinanderzusetzen oder zu versuchen, eine halbwegs objektive und unparteiische Position zu vertreten, wird beschuldigt, im Sold der chinesischen Regierung zu stehen oder Schlimmeres." Selbst die geringste Abweichung werde nicht geduldet.

Sogar die beispiellose Wiederaufforstung in China oder die Befreiung von 800 Millionen Menschen aus der Armut würden von den angelsächsischen Medien negativ dargestellt. García postete eine Reihe von Artikel-Teasern, in denen es, worum es auch ging, unisono hieß: "Aber zu welchem Preis?"

Die Intervention des Journalisten hat zumindest im spanischsprachigen Raum eine Debatte provoziert. Der ehemalige CNN-Mann Carlos Montero rief zur Lektüre des Threads auf, der Journalist der angesehenen Tageszeitung Vanguardia, Enric Juliana Ricart, schrieb, García werfe ein Schlaglicht auf den "zweiten Kalten Krieg und seine Kollateralschäden"

Wir werden mit dem Kollegen in Beijing in Kürze ein Interview führen. Darin geht es um die Hintergründe seiner Kritik, Beispiele und Mechanismen der Manipulation in der Berichterstattung über China und mögliche Gegenstrategien. Für Telepolis sind diese neuen geopolitischen Brüche und Umbrüche ein zentrales Thema.

Welche Autoren dürfen bei Telepolis schreiben?

Debatten gab es zuletzt um einzelne Autoren von Telepolis, die auch auf alternativen Portalen veröffentlichen. Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß etwa schreibt für die Seite Rubikon. Telepolis hatte zuletzt über Konflikte wegen des journalistischen Kurses dieses Portals berichtet.

Ist es also zulässig, dass Autoren von Seiten wie Rubikon auch bei Telepolis veröffentlichen? Wir denken, ja. Der Grund ist einfach: Telepolis prüft alle Einreichungen und entscheidet anhand der Texte. Im Falle des Autors Kreiß haben wir zudem wiederholt Debattenbeiträge als Replik veröffentlicht, etwa zu seiner These, die Kryptowährung Bitcoin benötige immer mehr Strom und funktioniere daher nach einem Schneeballsystem, das früher oder später zusammenbrechen müsse.

Bei Telepolis werden also auch ungewöhnliche Thesen zu finden sein, sie werden aber ausnahmslos zur Debatte gestellt und, wenn nötig, korrigiert.

Dem geschilderten Einzelfall liegt ein tiefergreifendes Problem zugrunde: die breiter werden Gräben, die sich auch zwischen Pressevertretern auftun. Sogenannte alternative Medien stehen inzwischen teils unnachgiebig dem sogenannten Mainstream gegenüber. Diskussionen und Austausch gibt es immer weniger. Dabei wäre ein kritischer Abgleich eigener Positionen und Darstellungen heute in vielen Bereichen und auf allen Seiten wichtig.

Telepolis wird diesem Zwang zur Konformität der einen oder anderen Seite zu widerstehen wissen. Das ist nicht immer einfach, aber es ist eine Notwendigkeit unserer Zeit. Wenn etwa der russische Auslandssender RT DE auf Youtube ohne jedwede inhaltliche Begründung zensiert wird, ist das zu kritisieren, egal wie man zu dieser Redaktion steht. Punkt.

Wer diese Kritik an antifreiheitlicher Unterdrückung von Meinung als Schulterschluss mit dem betroffenen Medium oder gar der russischen Regierung deutet, hat das Problem nicht verstanden: die inzwischen gefährliche Zensurmacht transnationaler Medienkonzerne.