Ein Bond für Angela Merkel

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Asymmetrische Kriegsführung: Der 25. James-Bond "No Time To Die" von Cary Fukanaga ist auch der letzte mit Daniel Craig

The function of man is to live, not to exist ... I shall use my time.
Jack London

Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Bond ist kein Vergewaltiger. Er schüttet keiner Frau K.-o.-Tropfen in Drinks. Bond gilt als Macho. Aber hier muss eine Rolle auch nicht übermotiviert gebrochen werden. Soll er ein rosa Röckchen anziehen?
Zana Ramadani; Autorin und Mitbegründerin der Femen-Bewegung

Für Nerds mögen die Familienverhältnisse lebenswichtig sein; für die Dynamik und Kinetik eines Bond-Films ist das unerheblich.
Peter Körte, FAS

Vor zwei Wochen startete der neue, der 25. James-Bond "No Time To Die" von Cary Fukanaga, der auch der letzte mit Daniel Craig ist. Von Anfang an wurde dem Film viel aufgebürdet: Nicht nur die Welt retten soll er, sondern auch das Kino.

Der Start wurde von erstaunlichen Phänomenen begleitet: In seltener Allianz verschwieg das bürgerliche Feuilleton wesentliche Plotpoints und rühmte - bis auf den löblichen Artikel von Wolfgang Höbel, der als Theaterkritiker die hauseigene Filmfraktion in den Schatten stellte - den Film, während die Bild-Zeitung, seit jeher "Volkes Stimme" und als solche eigentlich qua Natur verbündet mit dem Agenten des Westens, überraschende Breitseiten abfeuerte: "James Bond: Was für ein unwürdiges Film-Ende für Daniel Craig als 007", um dann mit Trost und Lebenshilfe aufzuwarten: "Ist man politisch unkorrekt, wenn man 007 guckt?", "Ist Bond Alkoholiker?", "So erklären Sie ihrem Kind James Bond".

Und Achtung Leser! Wer jetzt weiterliest, tut das auf eigene Gefahr und im Wissen, dass hier auch manches, aber nicht alles aus der Filmhandlung verraten werden wird. Oder, im Bild-Zeitungs-Deutsch: "Lesen Sie diesen Text nicht, wenn Sie den neuen Bond-Film im Kino sehen wollen - und das Ende eine Überraschung sein soll. Wenn Sie das Ende kennen und sich maßlos darüber ärgern: Herzlich willkommen im Club."

Wunscherfüllungsphantasie statt Machtkritik

Es ist nun überhaupt nicht interessant, an einer Figur wie James Bond Machtkritik oder Gewaltkritik zu üben. So wenig ist auch interessant, an einem Film wie "Dune" den Faschismus zu kritisieren oder das Messianische der Handlung. Machtkritik ist interessant an Filmen, die gegen Macht kämpfen wollen und die behaupten, selber Machtkritik zu üben.

Da muss Filmkritik die versteckte Macht aufdecken, so wie sie in einem Film wie James Bond den Wandel in Gewaltdarstellungen zeigen muss und so etwas wie Gewaltkritik oder Machtkritik aufdecken könnte, nicht umgekehrt. Man muss Filme gegen den Strich lesen und gegen den Strom interpretieren, wenn man irgendetwas aus ihnen erfahren möchte.

James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben (23 Bilder)

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James Bond war immer eine Wunscherfüllungsphantasie. Das ist seine Wirklichkeit

Voller Überraschungen

"We have all the time in the world" - auch wenn Louis Armstrongs Song schon gleich zu Beginn gespielt wird, auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist hier nicht nur Madeleine Swann, auch wir sind es mit ihr. Wo ist das, was ein James-Bond-Film einmal war?

Mit vertrauter Musik und den bekannten ikonischen 007-Bildern geht es zwar los. Trotzdem kann und muss man allen Zuschauern versprechen: So einen James-Bond-Film hat es noch nicht gegeben - und ob das nur eine gute Nachricht ist?

Dies ist ein Film voller Überraschungen: Für Bond wie für die Zuschauer. Es beginnt gemächlich, fast wie eine TV-Soap fürs Seniorenpublikum: Der ehemalige Agent im Geheimdienst Ihrer Majestät, hat sich nach einem abrupten, nur halb erzwungenen, eher der eigenen Angst geschuldeten Abschied von der Psychologin Madeleine Swann (die, gespielt von Lea Seydoux, im Film natürlich später wieder auftaucht) verrentet ins Privatleben zurückgezogen.

Doch die Vergangenheit, insbesondere der fiese Blofield (Christoph Waltz) lässt ihn nicht los, und so wird er zunächst von der CIA reaktiviert und dann bald erneut hineingezogen in das Leben ständiger Ortswechsel, Verfolgungsjagden und Weltrettungsaktionen.

Bis es soweit ist, dauert es allerdings ganz schön lang, und man fragt sich, warum? Denn jeder Zuschauer weiß ja, wie es enden muss.

Werbend-wertende Selbstdarstellung des Westens

Die ersten beiden James-Bond-Darsteller, Sean Connery und George Lazenby, mussten schwitzen. Sie führten einen harten Kampf gegen gleichberechtigte Gegner: Die Russen, die man ernst nehmen muss, auch wenn sie schon früh ihre verführerischen Seiten hatten - man erinnere sich nur an Tatjana Romanowa.

Roger Moore, der Bond der 1970-er, stand für die die werbend-wertende Selbstdarstellung des Westens und verkörperte das gelangweilte Warten auf den Sieg. Für die Ratlosigkeit dieses Wartens stand der schon vergessene Timothy Dalton; er kam als Müllabfuhr hinterher, er versuchte durch neue Härte die Eleganz wettzumachen, die ihm fehlte.

Pierce Brosnan kam dann der Idee des James Bond am nächsten. Seine Figuren thematisierten des Hedonismus der Siegesfeier, auch ihre Ratlosigkeit, die Schurken waren zeitgemäß und glaubwürdig.

So hatte etwa der Medienmogul in "Tomorrow Never Dies" eine Höhe der Medienkritik erklommen, die die Filme mit Daniel Craig nie erreicht haben. Umso erstaunlicher, dass Craig überhaupt fünf Filme machen durfte.