Massenvernichtung und Weltuntergang als Nervenkitzel

Wille der US-Nation und soldatische Haltung: US-Atomtest in Mikronesien, April 1946. Bild: United States Department of Defense, gemeinfrei

Der US-Kulturimperialismus setzt die Standards für das globale Unterhaltungsangebot und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund

Der US-amerikanische Horror beglückt die ganze Welt – nicht nur praktisch, mit militärischen Überfällen, Drohnenmorden oder CIA-Folterknechten, sondern auch kulturell. Von Edgar Allan Poe bis zu Stephen King, dem 2015 von Präsident Obama die "National Medal of Arts", die wichtigste staatliche Auszeichnung für US-amerikanische Kunstschaffende, verliehen wurde, sind die künstlerische Ausgestaltung von Shock and Awe, die Ausmalung monströser Kräfte und die gefühlsechten Schilderungen von Todeskämpfen Domäne der USA.

Zwar gibt es im Unterhaltungsgewerbe auch anderswo einschlägige Könner – vom japanischen "Battle Royal" bis zum südkoreanischen "Squid Game" – und Serienkiller auf der Pirsch begleiten oder Dystopien zeichnen kann heute noch das letzte Filmstudio in Hintertupfingen.

Aber maßstabsetzend ist immer noch God‘s own country. Das zeigte sich jetzt wieder, als im Sommer 2021 Stephen Kings letzter Roman Billy Summers weltweit die Bestsellerlisten eroberte, sie in Deutschland gleich nach Erscheinen der deutschen Übersetzung, wie in Großbritannien und den USA, anführte und "international hochgelobt" wurde.

Kings Opus über einen US-Scharfschützen, der im Irak-Krieg wütet und nach seiner Rückkehr als Mafiakiller Karriere macht, sei "eins seiner besten überhaupt", stellte die deutsche Literaturkritik fest, mit dem Fazit: "Wer diesen Roman über einen Auftragskiller nicht liest, bringt sich möglicherweise um einen geglückten Sommer."

Ob sich hier wirklich Glücksmomente finden lassen, sei dahingestellt. Aber immerhin ist King ein guter Schreiber, der erzählen kann – im Unterschied zu pensionierten Präsidenten oder Generälen, die mithilfe käuflicher Schmierfinken ihre düsteren Visionen zu Papier bringen.

Diese Machwerke geben allerdings einige Auskunft über die politische Wucht, die der weltweiten Teilhabe an Horrorgefühlen zugrunde liegt und die ihnen den besonderen Kick verleiht. Zu den aktuellen Standards hier einige Hinweise.

Politainment in der Trump-Ära

2018 erschien der Politthriller The president is missing, von Ex-Präsident Bill Clinton gemeinsam verfasst mit dem Erfolgsautor James Patterson, dem laut Spiegel (25/2010) "erfolgreichsten Schriftsteller der Welt".

Der Band erregte sofort breitestes Aufsehen und eroberte die Bestsellerlisten; die deutsche Ausgabe folgte auf dem Fuß.

Dieser Umstand wurde im Feuilleton als Buchereignis des Jahres gefeiert und als interessante demokratische Abrechnung mit der US-Politik gewertet.

Bemerkenswert ist das Buch nicht wegen seiner literarischen Qualitäten. Die sind sehr bescheiden. Tempo vorlegen kann Patterson, der übrigens eine regelrechte Romanfabrik kommandiert und die verschiedensten Produkte routiniert vom Band laufen lässt.

Clintons Gattin Hillary hat sich jetzt aber für ein ähnlich gelagertes Projekt, den Krimi State of Terror, die Mithilfe der Autorin Louise Penny geholt, die angeblich mehr feinfühlige Literatur produziert.

Wenn man sich bei Clintons President is missing durch die einleitenden 100 Seiten, die das Innenleben des Weißen Hauses aufblättern, durchgekämpft hat, geht es Schlag auf Schlag, streng nach den Regeln des Pageturners – nur einige Male unterbrochen durch clintoneske Polit-Räsonnements, bis der Bösewicht schließlich totgeklopft und die USA bzw. die Welt gerettet sind.