Ischingers Angst vor dem Abzug der Atomwaffen

Die Hölle sind immer die Anderen. Wolfgang Ischinger sicher nicht. Foto: Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH / CC-BY-SA-4.0

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz traut einer "Ampel-Koalition" ungeahnte Friedensmacht-Qualitäten zu - und die fürchtet er

Von den Koalitionsverhandlungen dringt wenig nach außen. Umso mehr Anliegen, Mahnungen und Warnungen werden von außen an die Beteiligten von SPD, Grünen und FDP herangetragen. Und nicht immer geht es dabei um Klima- oder Sozialpolitik. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger befürchtet, die "Ampel"-Parteien könnten bei ihren ernsthaft über einen Abzug der US-Atomwaffen vom Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel diskutieren. "Den Polen ziehen wir sicherheitspolitisch den Teppich unter den Füßen weg, wenn Deutschland aus der nuklearen Abschreckung aussteigt", sagte der ehemalige Spitzendiplomatlaut einem Spiegel-Bericht der Nachrichtenagentur dpa.

Im Sondierungspapier vornehm ausgeklammert

Als Kanzlerkandidatin der Grünen hatte Annalena Baerbock Anfang September in der ARD-Wahlarena versprochen, sich für einen Abzug der Atomwaffen einzusetzen.

Im Sondierungspapier von SPD, FDP und Grünen steht allerdings gar nichts über Atomwaffen. Das Thema wird darin vornehm ausgeklammert. Mit einem glühenden Bekenntnis zur Nato wird aber indirekt auch eine Aussage zur nuklearen Teilhabe getroffen: "Wir unterstützen und stärken Initiativen wie die Allianz der Demokratien. Das transatlantische Bündnis ist dabei zentraler Pfeiler und die Nato unverzichtbarer Teil unserer Sicherheit."

Zwei Seelen, ach, in einer Brust

Was das für die Frage der nuklearen Teilhabe bedeutet, haben die SPD-Bundestagsabgeordneten Nils Schmid und Gabriela Heinrich lang und breit im Vorwärts erklärt, als der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen in Kraft trat: Deutschland könne wegen seiner "Bündnisverpflichtungen", also aus "übergeordneten und nachvollziehbaren Gründen" diesem Vertrag nicht beitreten. Schließlich wird er nicht nur von Atommächten wie Nordkorea boykottiert, sondern auch von solchen wie den USA und Frankreich - und von der Nato insgesamt. Bewertet wird der Vertrag von SPD und Grünen aber trotz ihrer Bündnistreue erst einmal positiv.

Als vorläufige Lösung für das Dilemma schlugen Schmid und Heinrich vor, was auch im Wahlprogramm der Grünen zu finden ist: Die Bundesrepublik soll zunächst als Beobachter an der Vetragsstaatenkonferenz teilnehmen. "Wir wollen ein Deutschland frei von Atomwaffen und einen Beitritt Deutschlands zum VN-Atomwaffenverbotsvertrag. Eine Welt ohne Atomwaffen gibt es nur über Zwischenschritte", schrieben die Grünen zur Begründung.

Am 22. Januar war der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten - 90 Tage, nachdem ihn der 50. Staat ratifiziert hatte. "Langfristig ist zu erwarten, dass alle 122 Staaten, die den Vertrag am 7. Juli 2017 in den Vereinten Nationen angenommen haben, auch beitreten werden", erklärte die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die für ihre Arbeit im selben Jahr den Friedensnobelpreis erhalten hatte, anlässlich des Inkrafttretens.

Ischinger fürchtet aber anscheinend sogar den Beobachterstatus, denn auf der Vertragsstaatenkonferenz könnte ein grundlegend anderer Ton angeschlagen werden als auf seinen Sicherheitskonferenzen im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof, die alljährlich im Februar stattfinden und von der Friedensbewegung als "Kriegstreibertreffen" bezeichnet werden. Dort sind neben Außen- und Wehrministern sowie hochrangigen Nato-Militärs auch Lobbyisten von Rüstungskonzernen gut vertreten. Nukleare Abschreckung gilt dort als notwendiges Übel gegen "Schurkenstaaten"; die Definitionsmacht darüber liegt bei den westlichen Demokratien.

Im Kern verantwortungslos

Auf der Vertragsstaatenkonferenz gilt: Atomwaffen sind Massenvernichtungswaffen. So etwas besitzt man nicht. Auch nicht zur Abschreckung, denn dazu muss man glaubhaft machen, dass man sie einsetzen würde. Mit so etwas droht man nicht.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte vor wenigen Tagen zumindest die Gedankenspiele der Noch-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kritisiert, die gesagt hatte: "Wir müssen Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende – und das ist ja auch die Abschreckungsdoktrin – bereit sind, auch solche Mittel einzusetzen, damit es vorher abschreckend wirkt und niemand auf die Idee kommt, etwa die Räume über dem Baltikum oder im Schwarzmeer Nato-Partner anzugreifen." Mützenich nannte dies "verantwortungslos". Kramp-Karrenbauer hatte es allerdings auch als "Kerngedanken der Nato" bezeichnet, von der Mützenichs Partei dann doch nicht lassen will.

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