Kimmich-Kontroverse offenbart tiefe Gräben

Ungeimpft und unter Druck: Joshua Kimmich. Bild: Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0

Impf-Skepsis des 26-jährigen Fußballprofis sorgt weiter für Debatten. Harte Anwürfe gegen Befürworter einer freien Impfentscheidung

Die Debatte um kritische Äußerungen des FC-Bayern-Nationalspielers Joshua Kimmich zieht weitere Kreise. Neben andauernder Empörung über die Weigerung des 26-jährigen Profi-Fußballers, sich mit einem der in der Europäischen Union zugelassenen Corona-Vakzine gegen Covid-19 immunisieren zu lassen, gibt es auch Zustimmung. Ein vorläufiger Überblick.

Ein etwas vergiftetes Lob für Kimmich kam von der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Die SPD-Politikerin sagte, sie sei Kimmich "sogar dankbar, dass er die Debatte über Langzeitfolgen der Impfungen vor dem Winter noch einmal angestoßen hat". So könnten Politiker und Wissenschaftler noch stärker als bisher Gerüchte über Langzeitschäden ausräumen, so Bas im Interview mit der Rheinischen Post.

"Vielleicht lassen sich dann noch mehr Menschen von einer Impfung überzeugen, bevor sie von der vierten Welle erwischt werden, die jetzt rollt. Insofern kommt die Äußerung von Joshua Kimmich aus meiner Sicht zum richtigen Zeitpunkt", so Bas, die bislang in der SPD-Bundestagsfraktion für die Gesundheitspolitik mitverantwortlich war.

Kimmich hatte vor gut einer Woche erklärt, er sei nicht gegen den Corona-Virus Sars-CoV-2 und seine Varianten geimpft und hatte dafür "ein paar Bedenken" angegeben, "gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht".

Eine Reaktion kam sogar von der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Vielleicht macht sich Joshua Kimmich darüber ja auch noch Gedanken. Er ist ja als sehr reflektierter Fußballer bekannt", sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (€).

Auch Kimmich habe als Profi-Fußballer das Recht, von einer Corona-Impfung Abstand zu nehmen, fügte Merkel an. Nicht überzeugt sei sie aber von der Begründung Kimmichs, der auf seiner Meinung nach fehlende Langzeitstudien verwiesen hatte. "Es gibt auf seine Fragen und Zweifel sehr gute Sachargumente, die allgemein verfügbar sind", so Merkel

Tiefe Gräben im Profifußball, Lanz und Precht als "Querdenker"

Die Kimmich-Kontroverse spaltet das Fußball-Lager: Der einstige Nationalspieler Paul Breitner griff den Bayern-Profi scharf an.

Ich brauche mit niemandem darüber zu diskutieren, ob er sich impfen lassen soll oder nicht. Für mich gibt es nur die Richtung, sich impfen zu lassen. Und da geht es nicht um eine Vorbildfunktion, sondern es geht um den Einzelnen. Wenn er sich dagegen entscheidet, dann habe ich null Verständnis dafür.

Paul Breitner

Der 70-jährige Breitner führte im Sonntags-Stammtisch des BR Fernsehens eine Aussage von Jürgen Klopp an. Der Trainer des FC Liverpool hatte in einer vergleichbaren Debatte im britischen Profifußball die Verweigerung vor der Impfung vor wenigen Wochen mit dem Fahren unter Alkoholeinfluss verglichen.

"Er meinte damit und hätte vielleicht auch sagen können: Sich nicht impfen zu lassen, ist potenzielle, vorsätzliche Körperverletzung", so Breitner nun im BR.

Als übertrieben bezeichnete Fußballer Lukas Podolski die Debatte um Kimmich. "Ich verstehe nicht, warum man den Joshua Kimmich als Schwerverbrecher hinstellt, ich verstehe die Diskussion nicht", so Podolski gegenüber der Bild am Sonntag. Es werde dem 26-jährigen aktiven Spieler "nicht gerecht, ihn an den Pranger zu stellen für so etwas".

Podolski plädierte in der Impffrage für eine Entscheidungsfreiheit. Der 36-Jährige selbst hatte sich nach eigenen Angaben ungeimpft mit dem Corona-Virus infiziert, aber nur einen leichteren Verlauf der Infektion mit grippeähnlichen Symptomen erlitten.

Teil der Wahrheit sei auch, dass jeder Fußballprofi von Vereinen und Ärzten über die Risiken und Nebenwirkungen einer Impfung aufgeklärt werde, so Podolski weiter: "Man hat das gute Recht als Joshua Kimmich – oder anderer Spieler – zu sagen: Ich möchte mich noch nicht impfen lassen".

Zu einem ähnlichen Schluss kamen ZDF-Moderator Markus Lanz und Philosoph Richard David Precht in einem gemeinsamen Podcast. "Es ist nicht die Aufgabe des Staates, jedermanns Krankheitsrisiko nach allen Regeln der Form auszuschließen oder zu verunmöglichen", so Precht. Die Frankfurter Rundschau titelte dazu, Lanz und Precht hätten "‘Querdenkern‘ nach dem Mund geredet".