Aufstrebendes China: Sorge und Entwarnung

DF-31 oder Dongfeng 31, eine mobile, ballistische Interkontinentalrakete der Volksrepublik China. Bild: Tyg728, CC BY-SA 4.0

USA gehen von atomarer Aufrüstung der Volksrepublik aus, sehen aber keine konkrete Bedrohung. Beijing weist Pentagon-Prognose zurück. China-Debatte auch in Deutschland

Die USA haben ihre Einschätzung über Bestand und Entwicklung des nuklearen Waffenbestandes der Volksrepublik China deutlich nach oben korrigiert. Nach einem Bericht des Verteidigungsministeriums in Washington könnte Chinas Militär die Zahl der atomaren Sprengköpfe bis 2027 auf 700 und bis 2030 auf 1.000 erhöhen.

Im letzten Jahresbericht über die militärischen Kapazitäten der asiatischen Großmacht war das US-Verteidigungsministerium noch von 400 Nuklearsprengköpfen bis zum Ende dieses Jahrzehnts ausgegangen.

Trotz der korrigierten Prognosen läge China allerdings weiterhin deutlich unter der US-Atommacht. Anfang Oktober hatte die Regierung von Präsident Joe Biden erstmals seit Jahren Informationen über ihr Arsenal an atomaren Massenvernichtungswaffen veröffentlicht und die Zahl der einsatzfähigen Sprengköpfe auf 3.750 beziffert.

Die US-Regierung hat China mehrfach dazu aufgefordert, dem mit Russland geschlossenen Vertrag zur Rüstungskontrolle beizutreten. In seinem Jahresbericht an den Kongress warnt das Pentagon zudem vor mutmaßlichen Chemie- und Biowaffen-Programmen Chinas sowie dem generellen Fortschritt der asiatischen Großmacht im Rüstungsbereich.

Allerdings geht das US-Verteidigungsministerium nicht davon aus, dass das chinesische Nuklearwaffenarsenal offensiv ausgerichtet ist. In dem Bericht heißt es dazu:

Der derzeitige Ansatz der VR China in Bezug auf Nuklearwaffen beinhaltet eine öffentlich erklärte "No First Use"-Politik (NFU). Diese Politik besagt, dass die VR China zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen Kernwaffen zuerst einsetzen wird und sich bedingungslos verpflichtet, keine Kernwaffen gegen Nicht-Kernwaffenstaaten oder in kernwaffenfreien Zonen einzusetzen oder mit dem Einsatz zu drohen.

Die Bedingungen, unter denen die NFU-Politik Pekings nicht mehr gelten würde, sind nicht ganz klar; es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass die nationale Führung bereit ist, solche Zusätze, Nuancen oder Vorbehalte öffentlich zu machen.

Die mangelnde Transparenz der VR China in Bezug auf den Umfang und das Ausmaß ihres nuklearen Modernisierungsprogramms wirft jedoch Fragen hinsichtlich ihrer künftigen Absichten auf, wenn sie größere und leistungsfähigere Nuklearstreitkräfte aufstellt.

Bericht Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China

China-Kurs in Deutschland umstritten

Die Financial Times hatte Mitte Oktober über den angeblichen Test einer atomwaffenfähigen Hyperschallrakete der chinesischen Armee berichtet. Auf Nachfragen von Journalisten sagte ein Sprecher des Außenministeriums später, es habe sich um ein Raumschiff gehandelt, "keine Rakete".

Den Pentagon-Bericht zur mutmaßlichen Aufrüstung des chinesischen Atomarsenals wies das Außenministerium in Beijing als "vorurteilsbeladen" zurück. Die Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums ignoriere Fakten und sei "voller Vorurteile", so ein Ministeriumssprecher am Donnerstag.

Washington nutze den Bericht, um die Debatte über Chinas atomare Schlagkraft "aufzubauschen", so Wang. Die USA, schob der Sprecher nach, seien selbst die "größte atomare Bedrohung".

Gegenüber dem Portal Internationale Politik und Gesellschaft der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hatte der ehemalige SPD-Außenminister Sigmar Gabriel unlängst vor einer Konfrontation mit China gewarnt:

Der Vergleich mit dem "Kalten Krieg" hinkt etwas, weil dieser ja dadurch gekennzeichnet war, dass wir eine militärische Konfrontation hatten, aber ökonomisch und technologisch weit überlegen waren. Das ist mit China nicht der Fall. Wir sind in Teilen gleichauf oder sogar unterlegen.

China ist eine Art "frenemy", also politischer Gegner auf der einen Seite und ökonomischer Partner auf der anderen. Wenn man genau hinschaut, gilt das für die USA ebenso, denn auch dort sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu China ja beachtlich.

Sigmar Gabriel

Im Bundestagswahlkampf hatte sich der unterlegene CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet gegen eine Abgrenzung von China ausgesprochen. Im Falle einer Ampel-Koalition ist hingegen damit zu rechnen, dass die kommende Bundesregierung eine härtere Gangart gegenüber China einzuschlagen versucht.