Verschärfte Corona-Lage: Niederlande sollen schon morgen in (Teil-)Lockdown

In nächster Zeit keine Party-Metropole: Amsterdam. Foto: Ernesto Velázquez auf Pixabay (Public Domain)

Uniklinik Groningen sucht wegen Überlastung Hilfe bei deutschen Partnern. Dabei ist die Impfquote hoch. Derweil kündigt das Gaststättengewerbe Widerstand an

Erstens kommt es anders. Zweitens als man denkt. Mitte September gingen niederländische Entscheidungsträger noch davon aus, Anfang November die letzten Corona-Maßnahmen aufzuheben. Damals wollte man mit dem "Coronazugangsbeweis" - faktisch einer "3G-Regel" bei vielen Veranstaltungen - das Virus in Schach halten.

Statt dem Ende der Pandemie wurden dann Anfang November schärfere Maßnahmen angekündigt. So wurde die Kontrolle von "3G" auf mehr Veranstaltungen ausgeweitet und muss man in Geschäften und öffentlichen Gebäuden wieder eine Atemschutzmaske tragen.

Am 2. November verwies ich hier auf einen Brandbrief der Leiterinnen und Leiter universitärer Intensivstationen. Für potenziell lebensrettende Herz-, Tumor- oder Unfalloperationen stünden bald zu wenige Betten bereit. Dieser Zustand ist jetzt an der Uniklinik im nördlichen Groningen eingetreten. Der Direktor des dortigen Herzzentrums, Massimo Mariani, erklärte gegenüber einem lokalen Nachrichtensender, dass man aufgrund des Bettenmangels die wichtigen Operationen kaum noch ausführen könne.

Die Wartelisten würden wieder länger. Zurzeit könne man nur noch die allernötigsten Eingriffe durchführen. Man habe deutsche Kliniken in Duisburg und Münster um Hilfe gebeten, wo es derzeit noch Überkapazitäten gebe.

Geleakte Pläne

Schon seit einigen Tagen gibt es Gerüchte, dass in der heutigen Pressekonferenz um 19 Uhr weitere Verschärfungen angekündigt werden. Bisher war es immer so, dass vor den offiziellen Regierungserklärungen die wesentlichen Fakten an die Presse durchgestochen wurden. Seit gestern wird die Nachricht verbreitet, dass die Regierung einen neuen (Teil-) Lockdown anordnen werde, der schon am Samstag den 13. November in Kraft treten soll. Gaststätten und nicht-essenzielle Geschäfte müssten dann um 19 Uhr schließen.

Zu Hause solle man nicht mehr als drei Gäste empfangen. Zudem müssten Angestellte wieder so viel wie möglich zu Hause arbeiten. Sportveranstaltungen wie Fußballspiele sollen erneut ohne Zuschauer vor Ort stattfinden. Somit würde auch das WM-Qualifikationsspiel zwischen Holland und Norwegen am kommenden Dienstag in einem "Geisterstadion" gespielt.

Das Outbreak Management Team, das die Regierung berät, soll zwar nur einen zweiwöchigen Lockdown empfohlen haben. In den Medien ist nun aber von drei Wochen die Rede. Ob sich für den Bildungsbereich etwas ändern wird, ist derzeit noch unklar. Nach drei Wochen werden vielleicht "2G-Regeln" in Kraft treten. Am kommenden Dienstag soll das Parlament über die neuen Maßnahmen debattieren.

Hohe Impfquote

Dabei haben die Niederlande eine Impfquote, von der deutsche Gesundheitspolitiker nur träumen können: Die Bevölkerung ab 18 Jahren soll bereits zu rund 88 Prozent vollständig geimpft sein. Bei Personen ab zwölf Jahren sind es 86 Prozent. In Deutschland sind es gerade einmal 67 Prozent der Gesamtbevölkerung (Stand 12. November).

Zurzeit werden in den Niederlanden Menschen ab 60 sowie jüngere mit Vorerkrankungen zu einer Auffrischungsimpfung eingeladen. Wegen der hohen Impfquote entfällt nur ein kleiner Teil der Intensivbehandlungen auf vollständig geimpfte Patienten. Laut dem Gesundheitsdienst sind vier von fünf dieser schwer erkrankten Personen ungeimpft (Stand 14. Oktober).

Wenig überraschend sehen viele Unternehmer und Sportfans die Maßnahmen kritisch. Der Sprecher des niederländischen Gaststättengewerbes, Robèr Willemsen, kündigte sogar offenen Widerstand an. Die Pläne des Kabinetts seien "unbegreiflich". Er gehe nicht davon aus, dass sich alle an den Lockdown halten würden. "Das Maß ist voll. Unternehmer sind fuchsteufelswild."

In den Niederlanden geht man typischerweise lockerer mit Regeln um. Wenn Restaurants und Geschäfte nach 19 Uhr offen bleiben, würde das aber schon sehr auffallen. In verschiedenen Städten hatten schon vorher Bürgermeister hart durchgegriffen und im Extremfall Restaurants ganz geschlossen. Beispielsweise wurden nach Protesten gegen die Schließung von "Waku Waku" in Utrecht, das den Zugangsbeweis nicht kontrollieren wollte, Ende September schlicht über Nacht von der Stadt die Türschlösser ausgewechselt.

In einem vom Restaurantbesitzer angestrengten Eilverfahren bestätigte das Utrechter Gericht die Maßnahme. Wenn sich nun tatsächlich mehr Unternehmer gegen die schärferen Regeln wehren, könnte es hier einen "heißen Herbst" geben.

Hinweis: Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.

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