Für die "schwarze Null" in die Altersarmut

Wie die Finanzminister bei den Sozialversicherungskassen Zechprellerei begehen

Die Rentenversicherungsbeitragszahler finanzierten der Bundesregierung im Jahr 2020 einen Schattenhaushalt von 37 Milliarden Euro. Das ist aber völlig belanglos – findet jedenfalls die Presse in diesem Land. Stattdessen wird über angebliche Überlastungen der Jungen durch die Altersversorgung breit berichtet. Faktenfreiheit und Falschinformationen beherrschen die Medien.

Im Oktober veröffentlichte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) die Bilanz Nicht beitragsgedeckte Leistungen und Bundeszuschuss 2020. Daraus wird deutlich: Die nicht durch Beitreäge gedeckten Leistungen – hin und wieder auch "versicherungsfremd" genannt – betrugen 112,4 Milliarden Euro.

Dafür überwies der Bund eine Summe von lediglich 75,3 Milliarden Euro. Die Deckungslücke von 37,1 Milliarden Euro wurde aus Beitragsgeldern geschlossen.

Das kann als eine Art Sondersteuer von den Beitragszahlern verstanden werden – die Finanzminister führen seit 1957 Schattenhaushalte, die aktuell dramatisch ansteigen. Das wird durch die "Aktion Demokratische Gemeinschaft" (ADG) seit Jahren rechnerisch detailliert dargelegt.

Zu den 37 Milliarden Euro der Rentenversicherung kommen noch rund 26 Milliarden Euro der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die für allgemeingesellschaftliche Aufgaben ausgegeben, aber nicht vom Bund ausgeglichen werden.1

Berücksichtigt man noch die Unterdeckung der nicht beitragsgedeckten Leistungen bei den Pflegeversicherungen und bei der Arbeitslosenversicherung, kommt eine Summe zwischen 65 und 70 Milliarden Euro zusammen. Damit werden rund 15 Prozent bis 20 Prozent des Bundeshaushalts nicht über die Bücher des Finanzministeriums geführt, sondern über die Kassen der Sozialversicherungen.

Ein riesiger Schattenhaushalt, finanziert nicht aus Steuereinnahmen oder Krediten, sondern durch Beitragsgelder. Die Sozialversicherungen werden per Gesetz angewiesen versicherungsfremde Leistungen zu bezahlen und danach weigern sich die Finanzminister, die so entstandenen Kosten vollständig auszugleichen. So etwas würde man in anderen Situation schlichtweg als Zechprellerei bezeichnen.

Beiträge leisten nur die abhängig Beschäftigten, die Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenzen beziehen. Beamte, Selbständige, Politiker und Einkommen über den Beitragsbemessungsgrenzen, werden schadlos gehalten. Gesetzlich veranlasste Sozialleistungen, die aus gesamtgesellschaftlichem Interesse gewährt werden, müssen von den unteren Einkommensklassen bewältigt werden.

Selbst Beschäftigte, die wegen niedriger Löhne keine Steuern zahlen, werden so zur Finanzierung staatlicher Leistungen herangezogen. "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 GG)"? Das Soziale verblasst immer stärker.

Zurück zur Bilanz der Deutschen Rentenversicherung über nicht beitragsgeckte Leistungen. Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der letzten 20 Jahre und die Dynamik der Mehrbelastung:

Im Jahr 2009 sah die Lage noch ziemlich entspannt aus. Sinkende Kriegsfolgelasten und steigende Bundesmittel reduzierten die Deckungslücke. Für das Jahr 2017 wurde sogar eine nahezu ausgeglichene Bilanz prognostiziert. Was dann ab 2014 passierte, war das genaue Gegenteil:

Die nicht beitragsgedeckten Leistungen stiegen bis 2017 entgegen der Prognose um 21 Milliarden Euro. Demgegenüber fielen die Bundesmittel um neun Milliarden Euro geringer aus als erwartet. Die Deckungslücke sprang auf den Rekordwert von 31 Milliarden Euro.

Bereits drei Jahre später waren es schon 37 Milliarden Euro und die Tendenz ist mindestens bis 2025 weiter steigend. Die Gründe für diese gewollte Entwicklung sind die Rentenreformen 2014 und 2017 ("Mütterrente" I und II, Höherwertung der Ostrenten bis 2025, Rente ab 63+ ohne Abschläge, Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten).

Für die so veranlassten Mehrausgaben gab es keine zusätzlichen Mittel aus dem Bundeshaushalt. Sie müssen andauernd durch die Beitragszahler getragen werden, obwohl sie so gut wie ausschließlich gesamtgesellschaftlich begründet waren.

Zur Verdeutlichung die Ausgaben für die Kindererziehungszeiten ("Mütterrenten"):

Für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, werden drei Jahre mit je einem Entgeltpunkt gutgeschrieben. Für diese Anwartschaften leistete der Staat 2020 Beiträge von 16 Milliarden Euro an die DRV. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, werden seit 2017 statt einem, 2,5 Jahre mit je einem Entgeltpunkt bewertet. Dafür wurden keine Beiträge geleistet. Die Ausgaben stiegen von sechs auf 19 Milliarden Euro. Das Mehr von 13 Milliarden wird nicht kompensiert.

Ein weiterer wesentlicher Sachverhalt: Die Ost-West-Angleichungen der Renten erhöhten sich durch die Höherbewertungen ab 2017 von 14 auf 32 Milliarden Euro. Auch hier kein Ausgleich aus dem Bundeshaushalt. Eine gründlichere Darstellung über die nicht beitragsgedeckten Leistungen ist hier zu finden: Ein Sozialstaatsskandal, der zugleich ein Medienskandal ist.