Mehr Geld für Verzicht auf Klimaschädigung?

Abraum im Tagebau Welzow-Süd. Foto: Onkel Holz / CC-BY-SA-4.0

Neue Ampel-Regierung will früheren Kohleausstieg. Energiekonzern Leag fordert von ihr aber "Vertragstreue" und bringt indirekt höhere staatliche Entschädigungen ins Spiel

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat die Absicht bekräftigt, schneller als bislang vorgesehen aus der Verstromung von Kohle aussteigen zu wollen. Allerdings - und das muss betont werden - halten sich die Koalitionäre eine Hintertür offen. Im Koalitionsvertrag heißt es dann auch wenig verbindlich: "Idealerweise gelingt das schon bis 2030".

Flankiert werden soll der Kohleausstieg durch einen "massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien" und durch den Bau "moderner Gaskraftwerke". Letztere sollen nach Möglichkeit an den Standorten bestehender Kraftwerke gebaut werden, um vorhandene "(Netz-) Infrastrukturen" nutzen zu können. Und sie sollen in den betroffenen Regionen Zukunftsperspektiven schaffen. Sie sollen auch so gebaut werden, dass sie später unter anderem auf Wasserstoff umgerüstet werden können.

Altbekannte Reflexe

In den Regierungen von Sachsen und Brandenburg haben diese Pläne altbekannte Reflexe ausgelöst. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte am Mittwoch, ein Kohleausstieg bis 2030 setze voraus, dass mehr Industriearbeitsplätze in der Lausitz entstehen müssten, als verloren gingen. Außerdem müsste auch die Energieversorgung weiterhin sicher sein.

"365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag muss der Strom aus der Steckdose sicher sein", sagte er. Und das setze voraus, dass andere Energieträger vorhanden seien. Es dürfe jedenfalls nicht sein, dass die Bundesrepublik aus der Kohle aussteige und gleichzeitig Strom aus Polen oder Atomstrom aus Frankreich beziehen müsse.

Ähnlich argumentierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). "Unser Anspruch war und ist, dass die Lausitz und das Mitteldeutsche Revier Industrieregionen bleiben", sagte er laut Sächsischer Zeitung. Und wenn dieser Kompromiss jetzt einseitig aufgekündigt werde, werde darüber zu sprechen und neu zu verhandeln sein.

Als die Bundesregierung sich mit den Energiekonzernen auf den Kohleausstieg 2038 geeinigt hatte, wurden denen Entschädigungen in Höhe von 4,35 Milliarden Euro zugesagt. 1,75 Milliarden Euro davon sollte an den Kraftwerksbetreiber in der Lausitz, die Leag, fließen. Die Koalitionäre sind nun bestrebt, den Kohleausstieg vorzuziehen, ohne weitere Entschädigungen zahlen zu müssen.

Leag-Chef sieht "viele gute Gründe" für Enddatum 2038

Die Leag stellte umgehend in einer Erklärung klar, dass sie nicht viel davon hält. Man erwarte "Gesetzes- und Vertragstreue von einer neuen Bundesregierung", sagte Leag-Chef Helmar Rendez. Das Kohleausstiegsgesetz nenne "aus vielen guten Gründen 2038 als Ziel". Zwar sei es erlaubt, den Kohleausstieg um drei Jahre vorzuziehen, doch das sei an "harte und klare Kriterien wie Versorgungssicherheit und Stromkosten geknüpft".

Außerdem sei man davon fest überzeugt, ein vorzeitiger Kohleausstieg sei nicht "ohne gravierende Schäden für das deutsche und europäische Energieversorgungssystem umsetzbar". Man sehe gerade in diesen Tagen "eine ungebremst hohe Nachfrage nach Strom und Wärme, die von Wind und Sonne nicht gedeckt werden kann und die selbst die verbliebenen konventionellen Erzeugungsanlagen an die Grenzen ihrer Kapazität bringt".

Die Konzernbetriebsräte der Leag, Toralf Smith und Uwe Teubner, haben bereits eine Idee für die Zukunft der Standorte. Die Bundesregierung könnte Milliarden von Euro aus dem Strukturstärkungsgesetz für neue Kraftwerke anwenden. An den bisherigen Kraftwerksstandorten Jänschwalde, Schwarze Pumpe, Boxberg und Lippendorf könnten demnach Kraftwerke entstehen, die auch Speichertechnologie für aus Sonne und Wind erzeugten Strom sowie Wasserstoff nutzen. Entsprechende Speichertechnologien erprobt die Leag momentan am Standort Schwarze Pumpe.

Ein vorzeitiger Kohleausstieg dürfte Umweltschützern entgegenkommen, die in der Lausitz gegen Grundstücksenteignungen zugunsten der Leag kämpfen. Erst am Montag erhoben das Umweltnetzwerk Grüne Liga sowie private Grundstücksbesitzer schwere Vorwürfe gegenüber der Leag. Der Konzern wolle, heißt es in einer Erklärung, "bereits teilweise freigelegte Kohle ungenutzt liegen" lassen, anstatt die Tagebaue zu verkleinern. Dieses Vorgehen hätte das Unternehmen demnach selbst eingeräumt.

"Es kann nicht sein, dass die Leag auf eigenen Grundstücken Kohle liegen lässt, aber anderen Grundeigentümern mit Enteignung droht", sagte Rechtsanwalt Philipp Schulte. Die Bergbehörde müsse eigentlich einschreiten, weil das sogenannte Berggesetz dieses Vorgehen als Raubbau verbiete. Wenn weniger Kohle gebraucht werde, müsse der Eingriff in Natur und Privateigentum entsprechend verringert werden.

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