Pflegereform im Ampel-Vertrag: Wenn das Glas nur "halb voll" ist

Unter anderem sollen Abschlüsse von Pflegekräften aus dem Ausland leichter anerkannt werden. Symbolbild: cromaconceptovisual auf Pixabay (Public Domain)

Ampel-Koalition sieht nur halbherzige Pflegereform vor. Sozialverbände sind nicht überrascht. Nutzen für Pflegebedürftige dürfte sich in Grenzen halten

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP verspricht für die Pflege viel: "Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden - in der Stadt und auf dem Land", heißt es in dem Koalitionsvertrag. Es werden höhere Löhne in der Pflege versprochen und bessere Arbeitsbedingungen. Sozialverbände zeigten sich von den Plänen nur mäßig begeistert. Denn eine ihrer zentralen Forderungen blieb unberücksichtigt: die solidarische Pflegevollversicherung.

Der Sozialverband VdK begrüßte in einer Stellungnahme, dass die Koalitionäre an vielen richtigen Stellschrauben drehten. Aber er kritisierte, dass der Koalitionsvertrag nicht halte, was er verspreche. Vieles lese sich gut, aber der große Wurf sei es nicht, kommentierte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Koalitionsvertrag am Mittwoch.

"Mindestens halb voll"

Der Paritätische Wohlfahrtsverband zeigte sich verhalten optimistisch und erklärte, das Glas sei "mindestens halb voll". Das System der Pflege werde zwar nicht grundlegend reformiert, doch das habe man auch nicht erwarten können. Denn die Koalition sei ein Zweckbündnis aus Parteien mit "zum Teil sich geradezu widersprechenden Anschauungen und Interessen". Dennoch fänden sich eine ganze Reihe wichtiger und guter Punkte in dem Papier.

Die drei Parteien versprechen den Pflegekräften mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege solle geschlossen werden. Insgesamt wolle man den Pflegeberuf attraktiver machen "etwa mit Steuerbefreiung von Zuschlägen, durch die Abschaffung geteilter Dienste, die Einführung trägereigener Springerpools und einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern", heißt es im Koalitionsvertrag.

Außerdem sollen Pflegekräfte aus dem Ausland einfacher und schneller für die Arbeit in der Bundesrepublik gewonnen werden und Abschlüsse, die im Ausland erworben wurden, sollen leichter anerkannt werden. Das klingt schön, aber Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, hat dennoch Zweifel, dass die Pläne der Koalition tatsächlich grundlegende Änderungen in der Pflege bewirken. So erklärte er, es brauche zwingend eine Pflegereform, die den Namen auch verdiene. Und es brauche mehr Geld, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen.

Zumindest eine Forderung des Verbandes wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen und es wurde gelobt, ihn schnell umzusetzen: Die pflegebedingten Eigenanteile an den Kosten der Pflegebedürftigen sollen gedeckelt werden. Allerdings scheuten die drei Parteien davor zurück, einen konkreten Wert anzugeben, über den sie in Zukunft nicht mehr steigen dürfen.

An der Gefahr, durch Pflege arm zu werden, ändert sich dadurch für die Bedürftigen aber nur wenig. Denn für einen Platz im Pflegeheim werden fällig: der "einrichtungseinheitliche Eigenanteil", mit dem Leistungen der pflegerischen Versorgung finanziert werden, deren Kosten nicht aus der Pflegeversicherung gedeckt sind. Hinzu kommen die Kosten für "Unterkunft und Verpflegung" sowie die "Investitionskosten" der jeweiligen Einrichtung. Nur der erste Posten soll gedeckelt werden, die anderen können weiterhin durch Spekulanten und Heimbetreiber nach oben getrieben werden.

Deshalb fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband - gemeinsam mit anderen Sozialverbänden und Gewerkschaften - seit längerem eine solidarische Pflegevollversicherung, die alle Leistungen übernimmt, die notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig sind.

Dafür müsse aber die Pflegefinanzierung vom Kopf auf die Füße gestellt werden, so Schneider. Dafür brauche es dringend eine Reform in Richtung einer Bürgerversicherung, in die alle Erwerbstätigen einzahlen, und zwar mit allen Einkommen. Dem pflichtete Bentele bei: Die Mehrheit im Land fordere seit Jahren eine Einbeziehung aller in das gesetzliche Versicherungssystem.

Linke: Koalitionsvertrag wird in der Pflege "nichts grundlegend ändern"

Dass die sogenannte Ampel-Koalition die Reform nicht anpacken will, bezeichnete Bentele als "vertane Chance". Und Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke, erwartet nicht, dass sich in der Pflege nicht wirklich etwas grundlegend ändern wird.

Anlässlich eines Streiks von Pflegekräften an der Uniklinik Frankfurt erklärte Wissler: "Der Koalitionsvertrag der Ampel wird an der Situation in der Pflege und dem Pflegenotstand leider nichts grundlegend ändern". Der einmalige Pflegebonus - für den die Koalition eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen will - sein ein freundliches Signal. Die Pflegekräfte bräuchten aber auch "endlich eine substantielle Gehaltserhöhung und eine geringere Arbeitsbelastung". Ansonsten lasse sich der anvisierte Personalschlüssel überhaupt nicht erreichen.

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