Sars-CoV-2: Den Anfängen auf der Spur

Tatort Wuhan, Provinz Hubei, Dezember 2019: Neuere Untersuchungen rücken dem illegalen Wildtierhandel auf den Pelz. Und werfen Fragen auf, die sich naturwissenschaftlich nicht beantworten lassen

Von Anfang an hatten Spekulationen über die Herkunft von Sars-CoV2 die Runde gemacht. Insbesondere die Laborthese sorgte, mit Unterbrechungen, für Wirbel. Dass es sich bei Corona um ein künstlich hergestelltes Virus handelt, hatte u.a. der Franzose Luc Antoine Montagnier postuliert. Der berühmte Virologe und Nobelpreisträger von 2008 ließ nicht ab, seine Ansicht kundzutun. Für ihn ist das gefährliche Ding ein zusammengeschraubtes Monster.

Ihm widersprach zuletzt eine renommierte Wissenschaftlerin vom Virus-Forschungslabor in Wuhan, die Virologin Shi Zhengli, eine Expertin für Coronaviren bei Fledermäusen. Gegenüber der New York Times wies Shi im Sommer die Theorie eines Corona-Ausbruchs durch einen Laborunfall strikt zurück. "Wie um alles in der Welt kann ich Beweise für etwas vorlegen, für das es keine Beweise gibt?", zitiert die New York Times die chinesische Forscherin.

Der von US-Präsident Joe Biden geforderte Report zum Ursprung des Corona-Virus erbrachte Medienberichten zufolge jedoch zunächst keine eindeutigen Ergebnisse. Die Diskussion riss daraufhin erwartungsgemäß nicht ab. Ende Oktober veröffentlichten die US-Geheimdienste eine aufgefrischte, detailliertere Version ihrer Recherchen. In dieser neuen Version – eine erste war im August vorgelegt worden – weist das Office of the Director of National Intelligence (ODNI) die auch kursierende Behauptung zurück, das Virus sei als Biowaffe entstanden.

Spurensuche. Im Fokus: Der Huanan-Markt

Ende 2019 kam es auf dem Großmarkt für Meeresfrüchte, dem Huanan Seafood Wholesale Market in Wuhan, Hubei, China, zum Ausbruch einer mysteriösen Lungenentzündung, die durch Fieber, trockenen Husten und Erschöpfung sowie gelegentliche Magen-Darmsymptome gekennzeichnet war.

Der initiale Ausbruch wurde im Dezember 2019 gemeldet, der Markt am 1. Januar 2020 geschlossen, nachdem die örtliche Gesundheitsbehörde am 31. Dezember 2019 den epidemiologischen Notfall ausgerufen hatte. Im darauffolgenden Monat (Januar 2020) wurden Tausende von Menschen in China, darunter viele Provinzen (wie Hubei, Zhejiang, Guangdong, Henan, Hunan usw.) und Städte (Peking und Shanghai), von der grassierenden Ausbreitung der Krankheit befallen.

Weiterhin gelangte sie in andere Länder, wie Thailand, Japan, die Republik Korea, Vietnam, Deutschland, die Vereinigten Staaten und Singapur. Am 11. Februar 2020 bezeichnete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie offiziell als Coronavirus Disease-2019 (Covid-19).

Eine genaue Rekonstruktion des Geschehens machte sich der Evolutionsbiologe Dr. Michael Worobey an der Universität von Arizona zur Aufgabe (Department of Ecology and Evolutionary Biology, University of Arizona, Tucson).

Worobey, der sich auf die Rückverfolgung von Viren spezialisiert hat, war auf Widersprüche gestoßen, als er bislang bekannte Daten aus Krankenhäusern, Studien und Videointerviews miteinander verglich. In einer im Fachjournal Science veröffentlichten Studie geht er mit neuen Überlegungen auf die Ausgangslage zurück und zeichnet die Ereignisse mit dem zeitlichen Fokus auf die Monate Dezember 2019 und Januar 2020 akribisch nach. Mit einem erstaunlichen Ergebnis.

Die nach Ansicht seiner Studie erste an Covid-19 erkrankte (d.h. nicht die erste infizierte) Person sei eine Meeresfrüchtehändlerin und nicht, wie bislang allgemein angenommen, ein Buchhalter ohne Verbindung zu Huanan gewesen. Huanan ist, wie inzwischen auf der ganzen Welt bekannt sein dürfte, ein Großmarkt in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan (Hauptstadt der Provinz Hubei).

In dieser Stadt mit elf Millionen Einwohnern ist die Hälfte der frühen Fälle mit einem Ort von der Größe eines Fußballfeldes verbunden (…). Es wird sehr schwierig, dieses Muster zu erklären, wenn der Ausbruch nicht auf dem Markt begonnen hat.

Michael Worobey im Interview