Forencheck: Niedrige Übersterblichkeit in Sachsen, Impfquote in Afrika und der Begriff der Immunität

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Wochenkolumne

Führt eine höhere Impfquote zu einer höheren Übersterblichkeit?

"Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit" lautet der Titel eines Kommentars zum Artikel "Unionsländer stimmen im Bundesrat ‚falscher Entscheidung‘ zu" und weiter heißt es:

Prof. Dr. Rolf Steyer und Dr. Gregor Kappler haben eine Studie im Auftrag von Dr. Ute Bergner (Abgeordnete im Thüringer Landtag) erstellt, die aufhorchen lässt! Nun ist eine Korrelation noch lange keine Kausalität, (…).

https://www.utebergner.de/der-wert-eines-menschen-haengt-nicht-von-seinem-impfstatus-ab/

Darauf lässt sich eigentlich nur antworten: Richtig erkannt, es gibt hier keine Kausalität. Selbst Rolf Steyer hat inzwischen in einer Stellungnahme auf der Seite der Universität Jena erklärt:

(…) Es handelt sich bei der Notiz weder um eine wissenschaftliche Publikation noch um eine fundierte wissenschaftliche Studie, die unseren eigenen Qualitätsstandards genügt. Unsere Notiz beweist keineswegs, dass eine erhöhte Impfquote zu einer erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit führt. Wir möchten auch nicht, dass sie dahingehend fehlinterpretiert wird. Es gibt zahlreiche Gründe, welche die gefundene positive Korrelation erklären könnten, ohne einen negativen Effekt der Impfquote auf die Übersterblichkeit zu implizieren. Um die aktuelle Übersterblichkeit zu erklären, sind umfassendere wissenschaftliche Analysen geboten. Unter Hinzunahme der jetzt verfügbaren KW 41 ist übrigens die von uns letzte Woche berichtete positive Korrelation nahezu gleich null.

Gut, aber da die Notiz ungewollt weite Verbreitung gefunden hat, hier noch einmal ein Blick auf deren Inhalt: Rolf Steyer und Gregor Kappeler hatten die Übersterblichkeit in den Bundesländern in den Kalenderwochen 36 bis 40 mit der Impfquote korreliert.

Erstaunlicherweise liegt Sachsen, das Land mit der geringsten Impfquote auch am unteren Ende der Übersterblichkeit, auch in Thüringen mit ebenfalls recht geringer Impfquote ist die Übersterblichkeit gering, in Brandenburg, dessen Impfquote etwa gleichauf mit Thüringen liegt, war die Übersterblichkeit in dem Zeitraum hingegen vergleichsweise hoch.

Warum Sachsen hier nach unten ausreißt, mag vielfältige Gründe haben - etwa, dass sich die Übersterblichkeit in den älteren Bevölkerungsgruppen bereits im vergangenen Winter zugetragen hat - höchstwahrscheinlich ist aber schlichtweg Zufall am Werk.

Ein Zufall, der, wie Steyer selbst berichtet, durch die Daten der Kalenderwoche 41 schon wieder ausgeglichen wurde. Davon abgesehen ist die "Notiz" der beiden Wissenschaftler auf mehreren Ebenen statistisch unsauber gearbeitet.

Weder wurden die Inzidenzen in den jeweiligen Bundesländern im gewählten Zeitraum einbezogen noch die Altersstruktur der Bevölkerung, um nur zwei Aspekte zu nennen, die die Übersterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19 maßgeblich beeinflussen.