Grüne Basisgruppe ruft zur Ablehnung des Koalitionsvertrags auf

Unabhängige Grüne Linke kritisiert fehlende Ziele zum sozial-ökologischen Umbau. Nein bei Urabstimmung soll Nachverhandlungen ermöglichen

Wenige Tage vor dem Ende der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP auf Bundesebene plädiert die Parteilinke der Grünen für Nachverhandlungen. In einem Aufruf mit dem Titel Mehr grün wagen, der am heutigen Freitag veröffentlicht werden soll, rufen die Initiatoren die rund 125.000 Mitglieder zur Ablehnung des Regierungsvertrages auf.

"Stimmt nicht zu bei der Urabstimmung", heißt es in dem Aufruf der innerparteilichen Gruppierung Unabhängige Grüne Linke (UGL), der Telepolis vorab vorlag.

Die Autoren sind davon überzeugt, dass der Koalitionsvertrag tatsächlich auch in der Parteiführung umstritten ist, dieser Konflikt aber nicht öffentlich gemacht wird: "Nach unseren Informationen fand eine Abstimmung zum Koalitionsvertrag im Bundesvorstand mühsam und gerade einmal eine Vier-zu-zwei-Mehrheit", schreiben sie.

Auch im Parteirat hätten offenbar alle dem linken Flügel zugerechneten Mitglieder mit einer Ausnahme mit Nein gestimmt.

Im Jahr 2017 sei festgelegt worden, einer Urabstimmung eine Bundesdelegiertenkonferenz vorzuschalten, die das Ergebnis etwaiger Koalitionsverhandlungen diskutiere und bewerte. Dieses Vorgehen habe die Parteiführung nun ignoriert.

"So bleibt dem weitaus größten Teil der Mitglieder für ihre Orientierung nur das positive Votum der Parteispitze und der prominenten Befürworter:innen sowie ein paar Meldungen und Kommentare in den Medien", kritisieren die Initiatoren des Aufrufs.

Dies sei problematisch, weil der vorliegende Koalitionsvertrag es versäume, den sozial-ökologischen Umbau anzugehen.

Die versprochenen Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens sind unmöglich zu erreichen. Eine höhere CO2-Abgabe, vor allem verbunden mit einem Klimageld als sozialem Ausgleich, wurde bei den Koalitionsverhandlungen ad acta gelegt.

Bereits jetzt ist ein massiver und dauerhafter Konflikt absehbar, weil viele Absichtserklärungen und wenig Konkretes vereinbart wurde. Beim Kohleausstieg wurde etwa die schwammige Formulierung des Sondierungspapiers "idealerweise" bis 2030 übernommen.

Aus dem Aufruf "Mehr grün wagen"

Kritik an Verkehrspolitik der Ampel

Im Verkehrsbereich sei kein Tempolimit und kein Ausstieg aus der Produktion von Verbrennungsmotoren festgelegt worden. Auch blieben umweltschädliche Subventionen für Dienstwagen, die Pendlerpauschale und das Dieselprivileg.

"Gerade der Verkehrssektor reißt bisher alle Klimaziele mit einer Erhöhung des CO₂-Ausstoßes in 30 Jahren laut Umweltbundesamt um etwa ein Prozent", so die UGL-Mitlieder. Sie kritisieren zugleich den designierte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, der "schon vor Amtsantritt den Vertrag im Sinne der Autolobby auszulegen" versuche.

Die Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus sei hingegen "völlig ungeklärt". Zudem habe die FDP hat mit ihrem Finanzminister ein Veto-Recht.

In der Außenpolitik sehen die Autoren des Aufrufs ein "erschreckendes Säbelrasseln beider Seiten an der EU-Ostgrenze". Dies gehe "verbal und waffentechnisch" mit einer Aufrüstung einher, die Bundeswehr solle daher bewaffnete Drohnen sowie neue atomwaffenfähige Kampfflugzeuge erhalten.

Annalena Baerbock habe in einem Spiegel-Interview ausdrücklich bestätigt, dass "der Koalitionsvertrag (…) eine Verpflichtung zur nuklearen Teilhabe" enthalte.

Wenn wir mit all diesen Begründungen und dem Schwerpunkt Klimaziele dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen und Nachverhandlungen fordern, haben SPD und FDP keine andere Möglichkeit. Beide müssen Neuwahlen fürchten: Die SPD will nicht wieder in eine Zwangsgemeinschaft mit der Union und die FDP nicht wieder in die Opposition. Daraus können wir den gemeinsamen Willen zu einer konstruktiv arbeitenden Koalition formen.

Aus dem Aufruf "Mehr grün wagen"

Nachverhandlungen seien bei diesen Koalitionspartnern "möglich, sinnvoll und erfolgversprechend".