Hohe Inzidenz auch beim Impf-Europameister Portugal

Die Lage in portugiesischen Krankenhäusern ist trotz vieler Neuinfektionen deutlich entspannter als vor einem Jahr. Impfungen zeigen hier Wirkung

Das kleine Portugal ist, was die Impfquote angeht, in der Europäischen Union vorbildlich. Fast 89 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren ist vollständig geimpft und am kommenden Wochenende wird mit der Impfung von Kindern ab fünf Jahren begonnen. Zudem haben fast 75 Prozent der Bevölkerung inzwischen eine Booster-Impfung erhalten. Über eine Impfpflicht will das Land nicht debattieren.

Der sozialistische geschäftsführende Regierungschef Antonío Costa schließt sie auch aus. Er setzt nicht auf Zwang, sondern auf Überzeugung. Er wehrt sich deshalb gegen einen EU-Beschluss zu dieser Frage, der "keinen Sinn" mache, berücksichtige man die Lage in Portugal. Jedes Land sollte dazu seine eigene Debatte führen und Entscheidungen treffen, sagte der Sozialist.

Klar ist, dass die Fallzahlen in Portugal weiter steigen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nun bei 270 pro 100.000 Einwohner, allerdings ist sie in anderen Ländern mit deutlich niedrigeren Impfquoten wie in Deutschland, auch deutlich höher oder sogar fast doppelt so hoch, etwa in Frankreich. Die "rote Linie" hatte Costa bei 240 festgelegt. Die wurde erst am vergangenen Dienstag überschritten, also eine Woche später als von seiner Regierung erwartet. Tatsächlich ist die Kurve des R-Werts wieder auf 1,1 gesunken, wo sie seit Tagen stabil bleibt.

Maskenpflicht und Testpflicht

Die neu eingeführten Maßnahmen zeigen offenbar schon Wirkung. Am 1. Dezember hatte Costa wieder den Notstand ausgerufen und präventiv strengere Maßnahmen wie eine Maskenpflicht und Testpflicht für große Bereiche eingeführt. Nach Weihnachten und Neujahr soll die Bevölkerung sogar für eine Woche in den Lockdown gehen. In der "Woche zur Eindämmung der Ansteckung" soll vom 2. bis zum 9. Januar 2022 nach Möglichkeit nur im Homeoffice gearbeitet werden.

Bars, Restaurants und Diskotheken bleiben dann geschlossen und der Schulbeginn wird um eine Woche auf den 10. Januar verschoben. Eine fatal zugespitzte Lage wie im vergangenen Januar, als Portugal zum weltweiten Hotspot mit kollabierendem Gesundheitssystem wurde, soll vorgeblich mit allen Mitteln verhindert werden.

Klar ist auch, dass der Druck auf das schwache Gesundheitssystem längst mit der Inzidenz wieder ansteigt. Allerdings verweisen die Experten auf die Lage im Vorjahr, als noch niemand geimpft war. In den ersten neun Tagen im Dezember 2020 wurde eine ähnliche Inzidenz im Land verzeichnet. Doch die Wirkung der Impfungen zeigt sich deutlich in den Hospitälern.

Derzeit liegen knapp 1000 Infizierte in Krankenhäusern, vor einem Jahr waren es mehr als 3300. Auf Intensivstationen kämpften am 9. Dezember 142 Menschen um ihr Leben, vor einem Jahr waren es mehr als 500.

Verbreitung der Omikron-Variante bleibt unklar

Unklar ist, welche Rolle die Omikron-Variante bei den Vorgängen spielt, die deutlich ansteckender sein und auch Impfschutz zum Teil aushebeln soll. Bisher sind 49 Fälle bestätigt, die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein, da nur wenig sequenziert wird. Der Krankheitsverlauf ist in diesen Fällen aber bisher entweder asymptomatisch oder es wurden leichte Verläufe beobachtet.

Auch was die Einreisebestimmungen angeht, stellt sich die Costa-Regierung gegen den EU-Kurs, denn man geht in Lissabon davon aus, dass die relativ hohen Inzidenzen zu einem guten Teil importiert wurden. Auch Geimpfte und Genesene müssen, egal auf welchem Weg sie nach Portugal einreisen, nun einen negativen PCR-Test vorweisen. Denn auch in Portugal ist bekannt ist, dass Geimpfte infiziert sein und das Virus verbreiten können. Das will das Land unterbinden.

Dieser nachvollziehbare Alleingang stößt allerdings in Brüssel auf große Skepsis. Dort hält man weiter daran fest, die Reisefreiheit allein über das "Covid-Zertifikat" zu ermöglichen, um den Impfanreiz verstärken. Das ist nach den bisherigen Erfahrungen allerdings wenig sinnvoll und sogar gefährlich.

Der portugiesische Weg ist ein Ergebnis der Analyse, dass die Inzidenz in bei Touristen beliebten Gebieten, auch in Lissabon, besonders hoch ist. In und um Faro an der Algarve ist sie sogar mehr als doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt Die Algarvenregion weist die höchste Inzidenz im ganzen Land auf. Dort wird längst von einer "besorgniserregenden" Lage gesprochen, wobei auch dort die Hospitäler noch nicht überlastet sind, wie betont wird.

Das Phänomen, dass Infektionen über Touristen eingeschleppt werden, ist auch beim spanischen Nachbar zu beobachten, wo man über die Einführung von allgemeinen PCR-Tests vor der Einreise debattiert. Zum Beispiel bei Briten sehr beliebten Urlaubsort Benidorm an der Mittelmeerküste ist die Inzidenz auch mehr als doppelt so hoch als im Landesdurchschnitt.

Etwas mehr als die Hälfte aller Infektionen werden dort bei Urlaubern registriert. Noch deutlich zugespitzter ist die Lage schon im Baskenland, vor allem in der Provinz Gipuzkoa, die stark von französischen Touristen frequentiert wird. Die Inzidenz in und um das Seebad Donostia-San-Sebastián ist fast genauso hoch wie im französischen Durchschnitt (503), in der Grenzstadt Irun gehen die Zahlen schon durch die Decke.