Grönlands Uran muss im Boden bleiben

Grönland will nicht um jeden Preis seine Bodenschätze zu Geld machen. Foto: NASA ICE NASA/Jeremy Harbeck / CC BY 2.0

In Teilen Europas gibt es gerade Bestrebungen, Atomkraft als saubere Lösung für die Zukunft zu verkaufen. In Grönland hat sich eine andere Sicht durchgesetzt

Ein halbes Jahr nach Amtsantritt hat die Grönlands neue Regierung bereits ihr zentrales Wahlversprechen erfüllt: Uranabbau ist wieder verboten im Land. Konkret ging es dabei vor allem um das Vorhaben von Greenland Minerals in Kuannersuit/ Kvanefjeld. Dieses hat das Unternehmen nun angesichts der neuen Rechtslage auf Eis gelegt.

Die Abbaupläne in Kuannersuit in Südgrönland, auch unter dem dänischen Namen Kvanefjeld bekannt, galten eigentlich vor allem den dort vorkommenden Seltene-Erden-Metallen – gefragt für Elektronik, Batterien und weiteren Bausteinen der Energiewende. Uran, Zink und Flussspat sollten als Nebenprodukte mit abgebaut werden und zur Wirtschaftlichkeit beitragen. Greenland Minerals ist ein Unternehmen mit Sitz in Australien, an dem unter anderem die chinesische Shenge Holding beteiligt ist.

Nach den Angaben des Unternehmens handelt es sich um eines der größten Vorkommen Seltener Erden-Oxide und Uran überhaupt. Mehr als 12 Jahre lang wurde das Gelände untersucht. Das Unternehmen versprach auch Arbeitsplätze für Grönländer. Doch dem Großteil der Nachbarn in Narsaq und Umgebung war das Vorhaben nicht geheuer: Würde giftiger Staub in die Region geweht werde, in der sie bisher jagten, fischten und Schafe hielten?

Würde der Damm die radioaktiven Abfälle zurückhalten, die in einen See am Berg gekippt werden sollten? Und was wird mit dem Trinkwasser? Obwohl Uran nur das Nebenprodukt sein sollte, wäre es eine der größten Uranminen überhaupt geworden, und zwar im Tagebau.

Dänemark hat sich schon vor Jahrzehnten gegen Atomkraft entschieden, und Uranabbau ist im gesamten Land verboten. 2009 erhielt Grönland jedoch einen weitgehenden Autonomiestatus. Im Zuge dessen übernahm Grönland auch die Zuständigkeit für seine Rohstoffvorkommen. Im Herbst 2013, unter der damals neuen Premierministerin Aleqa Hammond (Siumut, d. h. Sozialdemokraten) beschloss das grönländische Parlament mit einer Stimme Mehrheit die Aufhebung dieser "Nulltoleranz" gegenüber Uran, die den Abbau in Kuannersuit möglich machen sollte.

Wahlsieg mit Uran - Nein danke

Im November 2021, acht Jahre später, während bereits das Genehmigungsverfahren für Kuannersuit lief, wurde nun mit einer Mehrheit von drei Stimmen das Verbot wieder eingeführt Die linke Partei Inuit Ataqatigiit (IA – "Gemeinschaft der Inuit") hatte sich vor der Wahl im April deutlich gegen den Uranabbau ausgesprochen und mit 36, 6 Prozent die meisten Stimmen geholt. In Narsaq, der direkt betroffenen Kommune, kam IA sogar auf 70,9 Prozent. Gemeinsam mit dem kleinen Koalitionspartner Naleraq, ebenfalls gegen den Uranabbau, wurde das Wahlversprechen umgesetzt.

Die Schwierigkeit bei dem neuen Gesetz war, das "Kind nicht mit dem Bade auszuschütten": Weder IA noch Naleraq sind prinzipiell gegen jeden Bergbau. Im grönländischen Gestein sind Uran und andere radioaktive Metalle aber nicht selten. Um andere Rohstoffe zumindest in Gebieten mit einem geringen Urangehalt abbauen zu können, wurde ein Grenzwert von 100 ppm festgelegt. Das Vorhaben in Kuannersuit könnte damit auch dann nicht durchgeführt werden, wenn das Uran nicht verkauft wird, denn der Urangehalt liegt dort bei etwa 300 ppm.

Die französische Firma Orano, die in Grönland nach Uran gesucht hatte, zog sich bereits nach dem Wahlsieg von IA zurück, behielt allerdings vorerst ihre Suchlizenz. Greenland Minerals hielt sich lange bedeckt. Das begonnene Genehmigungsverfahren war zunächst von beiden Seiten formal fortgeführt worden, die öffentlichen Anhörungen endeten im September.

Am 9. November wurde das Uranverbot beschlossen. Vergangene Woche gab Greenland Minerals nun bekannt , man werde sich nach Projekten außerhalb Grönlands umsehen, wo sich in näherer Zeit Werte schaffen ließen. Geschäftsführer John Mair, der das Projekt Kuannersuit/ Kvanefjeldt verfolgte, ist von seinem Posten zurückgetreten, bleibt dem Unternehmen aber als Berater erhalten.

Man werde die nächsten Schritte zum Projekt mitteilen, sobald dies möglich sei, heißt es offiziell. Dass Kuannersuit zumindest in absehbarer Zeit nicht umgesetzt wird, erspart Dänemark auch mögliche politische Verwicklungen durch den Handel mit Uran und die chinesische Beteiligung.

Signale aus Grönland

Es gab und gibt Befürchtungen, dass das Uranverbot sich negativ auf andere Vorhaben und zukünftige Investitionen auswirken könnte – nicht nur wegen des Urans selbst, sondern weil der Stopp eines Projekts, das schon so weit fortgeschritten war, ein negatives Signal aussende.

Es gibt allerdings auch andere Signale aus Grönland: Tanbreez hat bereits grünes Licht bekommen. Dabei handelt es sich ebenfalls ein Seltene-Erden-Projekt, ebenfalls um ein Unternehmen mit Sitz in Australien, ebenfalls in Südgrünland, aber um ein Vorkommen mit einem geringen Urangehalt und ohne irgendwelche Uran-Pläne.

Tanbreez bekam die Betriebsgenehmigung noch unter den alten Bedingungen, würde aber auch die neuen Bedingungen erfüllen und ist außerdem kleiner. Geschäftsführer Greg Barnes soll übrigens der Mann gewesen sein, der Donald Trump von Grönlands Bodenschätzen vorschwärmte. Die Inbetriebnahme der Tanbreez-Mine verzögerte sich bisher aufgrund der Corona-Krise.

Ein Vorhaben in Nordostgrönland, wo Zink abgebaut werden soll, erhielt gerade eine Finanzierungszusage – hier scheint das Uranverbot kein Hindernis gewesen zu sein. Von einer anderen Auswirkung des Uranverbots berichtete die Bürgermeisterin von Narsaq: Sie ist optimistisch, dass die Schafhalter nun wieder investieren werden.

Die neue grönländische Regierung ist im Zuge des jüngsten Klimagipfels auch dem Paris-Abkommen beigetreten – ein Schritt, den die vorherige Regierung mit Blick auf die erhoffte Bergbauindustrie nicht getan hat. Premierminister Múte B. Egede warb dort unter anderem für Grönland mit dem Hinweis auf seine saubere Wasserkraft. Bevor davon etwas für potenzielle Investoren übrig bleibt, muss allerdings erst mal die eigene Versorgung technisch besser gesichert werden: Erst vor kurzem litt die Hauptstadt Nuuk vier Tage unter Stromausfall, nachdem ein Verbindungskabel beschädigt war.

Rettung der Welt durch Bergbau?

Die neue grönländische Regierung hat den Punkt erledigt, für den sie vorrangig gewählt wurde. Damit sind natürlich nicht gleichzeitig alle anderen Sorgen beseitigt, die das Land hat. Es gibt massive soziale und wirtschaftliche Probleme, und dann wäre man ja gerne auch noch irgendwann unabhängig von Dänemark. All dies, so war zumindest lange der Standpunkt von Siumut und anderen Parteien, wäre besser geworden durch die Mine. Es hätte Arbeitsplätze und Einkommen gegeben und damit die finanzielle Möglichkeit, sich von Dänemark zu lösen.

Doch auch die Verlagerung von Verschmutzung ist letztlich ein kolonialer Ansatz. "Einige Länder haben Gebiete, die durch Uranminen völlig zerstört sind. Wir müssen dem schmutzigen Bergbau in den Entwicklungsländern Grenzen setzen. Ich hoffe, dass wir uns versammeln können, um voranzugehen und diesen Missständen ein Ende zu bereiten", so IA-Mitglied Mariane Paviasen vor der Abstimmung.

Sie sprach auch Grönlands Möglichkeiten an, die Welt durch den Abbau Seltener Erden – in Kuannersuit, mit dem hohen Urangehalt – "zu retten". Es gebe bereits genug Verschmutzung auf der Welt. Man wolle nicht unkritisch ein Teil davon werden. Sie empfahl den Industrieländern Recycling.

Der Entscheidungsprozess in Grönland wirft Licht auf ein Kapitel, das in der Diskussion um Erneuerbare Energien, aber erst recht in der Diskussion um Atomkraft gerne vergessen wird: Die Rohstoffe dafür müssen irgendwo herkommen. Insbesondere der Abbau von Uran ist eine giftige und gesundheitsschädliche Angelegenheit, wie man nicht zuletzt bei der Wismut in Thüringen gesehen hat. Die Bundesrepublik Deutschland finanziert die Sanierung mit Milliarden.

In Europa gibt es gerade Bestrebungen, Atomkraft als saubere Lösung für die Zukunft zu verkaufen – in Frankreich, aber auch in Finnland und anderen Ländern. Die Grönländer sehen das definitiv anders.

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