Nato und Russland: Wie groß ist die Kriegsgefahr?

Der Kreml. Bild: Ulrich Heyden, Moskau

Im Westen setzt der Zuspitzung kaum jemand etwas entgegen. Russland kämpft indes mit einer schwachen Binnenwirtschaft, Impfskepsis und seinem schlechten Image (Teil 2 und Schluss)

In diesem Jahr war die Gefahr eines großen Krieges um den Donbass das erste Mal seit 2014 wieder mit den Händen zu greifen. Wie damals schon nimmt die Angst vor einer umfassenden militärischen Auseinandersetzung in Russland und im Westen wieder zu.

Der Unterschied zu 2014 ist, dass das politische Spektrum in Deutschland, welches sich gegen eine solche Zuspitzung im Verhältnis zu Russland stellt, durch die antirussische Medien-Berichterstattung in eine völlige Außenseiterposition gedrängt worden ist.

Führende Politiker in Deutschland und den USA, die meinen, ein Krieg gegen Russland sei realistisch, haben zurzeit unbegrenzte Handlungsmöglichkeiten. Eine Friedensbewegung, die wie 1983 in Westdeutschland mit Hunderttausenden auf die Straße gegangen war, gibt es nicht. Pazifismus und Antimilitarismus sind bei deutschen Intellektuellen schon seit dem Krieg gegen Jugoslawien aus der Mode.

Es gibt tausend andere Themen, die angeblich viel wichtiger sind als die Kriegsgefahr. Die Klimakrise, das Impfen, der Rassismus, gesunde Ernährung und Gender-Politik.

Es ist paradox: Deutschland, in dem viele Russen in den letzten 30 Jahren eine Art Vorbild für eine demokratische Gesellschaft gesehen haben, provoziert Russland mit maßlosen, unbelegten Vorwürfen – und die deutsche Intelligenz tut so, als sei das ganz normal.

Die Leitartikler von taz bis Bild haben es geschafft, jeden, der es wagt, für einen Dialog mit Russland einzutreten, als Putin-Freund aus dem demokratischen Gemeinwesen auszuschließen.

Wie stehen die Russen zur Kriegsgefahr?

Während viele deutsche Russland-Freunde heute einen niedergeschlagenen Eindruck machen, ist es bei den Russen ganz anders. Die Russen sind es seit Jahrhunderten gewohnt, dass sie vom Westen als die Bösewichte angeklagt werden. Und Russland selbst hat in den letzten 30 Jahren zahlreiche Finanzkrisen, Kriege und Terrorismus durchgemacht, sodass die Menschen so schnell nichts aus der Fassung bringt.

Russland hat ein großes Territorium, eine Bevölkerung, deren Vorfahren erfolgreich Okkupationsversuche abgewehrt haben, eine schlagkräftige Armee, eine erfolgreiche Diplomatie, welche mit dazu beigetragen hat, dass Russland viele befreundete Staaten hat und dass aus dem heißen Krieg 2015 im Donbass kein größerer Konflikt wurde. Putins Popularität ist nach wie vor hoch.

In den russischen Medien war der Ukraine-Konflikt in den letzten sieben Jahren ein Hauptthema. In Talkshows wurden Vertreter aus der Ukraine eingeladen. Aber es wurde selten ruhig diskutiert. Oft arten diese TV-Debatten in lautstarke Wortgefechte aus. Die Fernsehzuschauer dieser Sendungen müde. Viele meinen auch, dass mit dem Thema Ukraine von den sozialen Problemen und der Korruption in Russland abgelenkt werden soll.