Spanien: Geheimdienst wollte mit Anschlägen "Katalonien Angst einjagen"

Ex-Polizeikommissar erklärt vor dem Nationalen Gerichtshof, dass der CNI falsch kalkuliert habe

Für Telepolis-Leser sind die Aussagen des spanischen Ex-Polizeikommissars José Manuel Villarejo lediglich die Bestätigung für Vorgänge, die längst auf der Hand lagen. Deren Untersuchung wurde allerdings auf allen Ebenen verhindert.

Die Einlassungen des ehemaligen Mitarbeiters des Geheimdienstes CNI kann man getrost als Bombe bezeichnen. Geht es nach José Manuel Villarejo, so ist der Geheimdienst tief in die Anschläge im Sommer 2017 in Barcelona und Cambrils verstrickt gewesen. Im Prozess vor dem Nationalen Gerichtshof packte der Ex-Kommissar, der, wie berichtet, in den "Kloaken der politischen Polizei" aktiv war, über die Verwicklungen staatlicher Sicherheitsorgane in die Terroranschläge aus.

Dass Abdelbaki Es Satty, der Chef der islamistischen Terrorzelle und Imam von Ripoll, ein Spitzel des CNI war, wurde Telepolis-Lesern vor gut vier Jahren nahegebracht. Das gilt auch für die Tatsache, dass der CNI die islamistischen Terroristen bis zu den Anschlägen überwacht hat.

Nun bestätigte Villarejo mit seinen Aussagen, was viele in Katalonien stets befürchtet haben: Dass es den Sicherheitskräften mit den Anschlägen darum ging, den Unabhängigkeitsprozess abzuwürgen. Man habe "Katalonien einen Schrecken einjagen" wollen, erklärte Villarejo zu den Anschlägen, die insgesamt 16 Todesopfer gefordert haben. Darunter war auch eine Deutsche, die zehn Tage später ihren Verletzungen erlag.

"Ich habe bis zum letzten Tag mit dem CNI zusammengearbeitet", erklärte Villarejo. Er sprach von einem "schwerer Fehler von Sanz Roldán", dem damaligen CNI-Chef, der die Lage falsch eingeschätzt habe. Aus sehr wichtigen Quellen sei er gewarnt worden.

Der CNI habe die Quelle aber nicht nur als unglaubwürdig dargestellt, sondern sogar ein Foto von dem Zuträger in der spanischen Exklave Melilla in Umlauf und damit den Villarejo-Spitzel in Gefahr gebracht.

Der CNI habe den Imam Abdelbaki Es Satty machen lassen, "was der für angebracht" halte, fügte Villarejo an. Zu erinnern sei daran, dass die Zelle ein riesiges Massaker geplant hatte.

Im Sommer 2020 wurde auf Telepolis darüber berichtet, dass Zweifel daran bestehen, ob der Imam in Alcanar tatsächlich mit anderen Zellenmitgliedern bei einer Explosion ums Leben gekommen ist, wie dies offiziell weiter behauptet wird.

Auffällig war, dass sein Auto den Ort des Geschehens kurz vor der Explosion verlassen hatte und später in einem anderen Ort gefunden wurde, dass sein Handy nach der Explosion noch benutzt wurde und in der Bombenwerkstatt keine DNA-Spuren von Abdelbaki Es Satty gefunden worden waren (Spanien: Ist der Kopf islamistischer Terrorzelle wirklich in die Luft geflogen?).

Auffällig war auch, dass Untersuchungen auf allen Ebenen verhindert wurden. Auch mit Stimmen der regierenden Sozialdemokraten (PSOE) wurde immer wieder die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausgehebelt. Deshalb hatte Javier Martinez, dessen dreijähriger Sohn Xavi auf den Ramblas in Barcelona ermordet wurde, im Telepolis-Gespräch darauf gehofft, dass sich in Europa ein Gericht finde, das die obskuren Vorgänge genauer untersuche, zumal etliche Opfer aus anderen Ländern kamen.

Martinez hatte darauf verwiesen, dass alle Versuche, die Vorgänge im spanischen Prozess zu untersuchen, vom Gericht als "Verschwörungstheorien" abgewürgt wurden. So wurde auch eine Vernehmung von Villarejo im Verfahren unmöglich.

Sieben Parteien fordern nun im Parlament erneut, die Vorgänge und die Verwicklungen des Imams mit dem CNI endlich zu untersuchen. Unvergessen ist auch der Ausspruch des damaligen ultrakonservativen spanischen Außenministers José Manuel García-Margallo, der einige Wochen vor den Anschlägen erklärt hatte, dass der Staat den Unabhängigkeitsprozess nicht tolerieren könne und ankündigte: "Ab der zweiten Augusthälfte werden Sachen in Katalonien passieren."