Diesen Skandal um Vizeadmiral a.D. Schönbach übersehen alle

Demnächst am Heck deutscher Fregatten? Bild: Catholic Church England, CC BY-NC-ND 2.0

Aufruf zu Respekt und Koexistenz mit Russland kostete Ex-Marine-Inspekteur das Amt. Seine eigentlichen Problemäußerungen scheinen niemanden zu interessieren

"Deus lo vult", lautete der Schlachtruf der Kreuzritter vor rund tausend Jahren: Gott will es. Reichswehr bis Wehrmacht zogen mit dem Leitspruch "Gott mit uns" in Schlachten, die oft in Massenmord und Kriegsverbrechen mündeten.

Wer all dies für zivilisatorisch und aufklärerisch überwundene Relikte der Vergangenheit hielt, mag durch den am Wochenende geschassten Marine-Inspekteur, Vizeadmiral a.D. Kay-Achim Schönbach, eines Besseren belehrt worden sein.

Der 56-Jährige nämlich plädierte in Indien für eine Bündnispolitik mit Moskau, weil er als "sehr radikaler römisch-katholischer Christ" das orthodox dominierte Russland als Glaubenspartner gegen China sehe. Dafür sei er trotz dessen Atheismus sogar bereit, Wladimir Putin Respekt zu zollen.

Radikal-christliche Allianzen in der Geopolitik, propagiert von einem führenden deutschen Militär in einem Hinterzimmer in Neu-Delhi vor Vertretern eines Systems, das einige Beobachter als hindu-nationalistisch, andere als kryptofaschistisch bezeichnen und das hauptsächlich von den USA gegen die Weltmacht China in Stellung gebracht werden soll? Sollte das nicht politisch skandalisiert und medial kommentiert werden?

Wurde es kaum, und deswegen sagt die Fokussierung im Skandal mindestens ebenso viel über den politischen und gesellschaftlichen Zustand der Bundesrepublik aus wie über den Protagonisten Schönbach selbst.

Tatsächlich nämlich haben ausgerechnet die Passagen der ungeschickten bis fragwürdigen Einlassungen des 56-Jährigen zu dessen Sturz beigetragen, in denen er sich – flankiert von einer sicherheitspolitischen Einschätzung – für einen respektvollen Dialog mit Russland ausgesprochen hat:

Ist Russland wirklich daran interessiert, einen kleinen Streifen ukrainischen Bodens zu haben, den er in ihr Land integriert hat? Nein, das ist Unsinn. Ich denke, Putin übt wahrscheinlich Druck darauf aus, weil er es tun kann. Und er weiß, dass er die Europäische Union spaltet. Doch was er wirklich will, ist Respekt. Er will auf Augenhöhe, er will Respekt. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet wenig, kostet nichts. Also, wenn man mich fragen würde: Es ist leicht, ihm sogar den Respekt zu geben, den er wirklich fordert – und vermutlich auch verdient.

Auch seine Äußerung zur Krim …

"Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist eine Tatsache."

… bricht zwar mit dem transatlantischen Konsens, dürfte aber realpolitisch motiviert worden sein – und wird hinter vorgehaltener Hand von so manchem Sicherheits- und Verteidigungsexperten im politischen Berlin geteilt.

Dass all dies also nicht offen und sachlich diskutiert wird, gerne auch mit Widerspruch, sondern zu einem staatlich geförderten Shitstorm führt, macht die Defizite der politischen Kultur deutlich. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung sich der ungewohnt aggressiven Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk treiben lässt, statt selbst die Diskurshoheit zu bewahren. Pder

Auch ignoriert die neue bundesrepublikanische Führung den scheinbaren Umstand, dass sich in der deutschen Militärführung christliche Extremisten herumtreiben, Menschen also, die ihre Religion nicht als Privatsache sehen, sondern von ihrer religiösen Einstellung die Frage von Krieg und Frieden abhängig zu machen bestrebt sind.

Das hat es alles wiederholt gegeben. Gut ausgegangen ist es nie. Dessen sollte sich eine politische Führung bewusst sein, die bei anderer Gelegenheit die Lehren der Geschichte zu betonen nicht müde wird.

Völlig außen vor bleibt schließlich die rechtliche Bewertung des Falls Schönbach, was umso beachtlicher ist, als Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) im vorherigen Kabinett dem Justizressort vorstand.

So oblag es dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, auf diese Ebene zu verweisen: "Ein Dienstvergehen hätte er begangen, wenn er gegen das Soldatengesetz verstoßen hätte und das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, das seine dienstliche Stellung erfordern, ernsthaft beeinträchtigt hätte." Das sehe er nicht, sagte Kujat gegenüber tagesschau24.

Freilich darf man auch diesem Urteil widersprechen. Dafür hätte es aber eine Debatte oder gar juristische Prüfung geben müssen. Dazu kam es aber nicht: Schönbach ist ja vorher schon zurückgetreten worden.