Klima-Bewegung: "Essen retten" auf der Autobahn

Gekommen, um zu stören, weil die Lage ernst ist. Foto: Aufstand der letzten Generation.

Die Gruppierung "Aufstand der letzten Generation" hat ihre Ankündigung wahr gemacht, für Störungen im Straßenverkehr zu sorgen

Autobahn-Blockaden, die am Montag in die Tat umgesetzt wurden, hatte die Gruppierung "Aufstand der letzten Generation" freundlich, aber bestimmt in einer Neujahrsansprache auf der Plattform Youtube angekündigt. Es werde ab Ende Januar Einschränkungen auf deutschen Autobahnen geben, hatte der Klimagerechtigkeits-Aktivist Henning Jeschke darin erklärt. "Wir wollen, dass die Regierung ihren Job tut."

Am Montagmorgen war es dann so weit. Insgesamt 25 Menschen mit Warnwesten und Corona-Schutzmasken blockierten die Zufahrten zur A 103 in Berlin-Steglitz und A 114 im Stadtteil Pankow. "Essen retten, Leben retten" stand auf einem Transparent. Hintergrund ist die Forderung nach einem Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung und einer klimagerechten Agrarwende.

Die BZ sprach von einem "Mega-Stau", den sie verursacht hätten. Die Polizei nahm alle Beteiligten fest und zog sie von der Straße, nachdem sie sich auf das Grundgesetz berufen hatten.

"Die Bundesregierung hat die Pflicht, nach Artikel 20a Grundgesetz die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen", erklärte die Aktivistin Sonja Manderbach vor ihrer Festnahme an der A103. Artikel 20a verpflichtet den Staat, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen – auch für zukünftige Generationen. Die Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung auf weniger als zwei Grad gehört dazu; auch der Lebensmittel- und Agrarsektor spielt dabei eine wichtige Rolle.

Gleichwohl müssen die Beteiligten der Blockaden mit Anzeigen wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr rechnen. Das Presseteam der Gruppe rechnet nach einer entsprechenden Auskunft der Polizei nicht vor Dienstagabend mit ihrer Freilassung.

Soziale Forderung mit Aussicht auf Erfolg

Zumindest teilweise könnten ihre Forderungen aber bald umgesetzt werden. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat zumindest angekündigt, die "Ampel"-Regierung wolle "Lebensmittelverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette – vom Feld bis zum Handel – reduzieren". Außerdem bezeichnete er Ende Dezember in einem Interview die Strafbarkeit des "Containerns" als "absurd". Hier die Rechtslage zu ändern, wäre eine einfache Maßnahme ohne Finanzierungsproblem. Solange den Worten keine Taten gefolgt sind, wollen die Aktiven aber nicht locker lassen.

Effektiven Klimaschutz als teuer zu framen, ist nach wie vor üblich im Kreis der Bremser, die erst recht teure Anpassungsmaßnahmen an steigende Meeresspiegel ausblenden, solange sie nicht vor ihrer nächsten Wiederwahl die Steuerpflichtigen dafür zur Kasse bitten müssen.

Die Fokussierung der Debatte auf steigende Sprit- und Energiepreise hat den Aktiven der Umwelt- und Klimabewegung eher geschadet als genutzt. Trotz größerer Forderungspakete, die auch Entlastungen für ärmere Haushalte beinhalten, standen sie als diejenigen da, die durch höhere CO2-Preise alles noch teurer machen wollen.

Vor diesem Hintergrund setzt der "Aufstand der letzten Generation" soziale Akzente. Sie konzentriert sich zunächst auf die Forderung nach einem "Essen-retten-Gesetz", wie es in Frankreich seit 2016 existiert. Supermärkten drohen dort seither Geldstrafen, wenn sie noch genießbare Lebensmittel wegwerfen, statt sie zu spenden.

In den letzten Wochen machten die Aktiven vor allem in Berlin mit "Container"-Aktionen und Selbstanzeigen auf den Missstand aufmerksam, dass es in Deutschland als Diebstahl gilt, noch genießbare Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten zu holen, um sie entweder selbst zu essen oder zu verschenken.

Überwiegend sind es junge Leute zwischen 20 und 30, die damit rechnen müssen, eines Tages mit Lebensmittelknappheit auch in Europa konfrontiert zu werden, falls durch eine ungebremste Klimakrise landwirtschaftlich nutzbare Flächen verloren gehen. An ihrer Seite stehen aber auch Ältere, allen voran der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt, der sich wegen der "Container"-Aktionen augenzwinkernd "Jesuit und Dieb" nennt. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg nach einer Selbstanzeige im Dezember zu ermitteln begonnen.

Mit der "letzten Generation" ist die letzte gemeint, die in Sachen Klimakatastrophe noch das Schlimmste verhindern kann: zum Beispiel große Hungerkatastrophen und die Ausbreitung von unbewohnbaren "Todeszonen" in Äquatornähe.