Jetzt kennen wir keine Parteien mehr

Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine in Hannover am 26. Februar 2022. Bild: Bärbel Miemietz / CC-BY-SA-4.0

Krieg in der Ukraine: Anregungen zum Nachdenken über die aktuelle deutsche Empörungskultur

Undenkbar in diesen kriegerischen Zeiten: Einen Waffenstillstand anbieten und darüber reden, wie die gegensätzlichen Interessen von West und Ost zumindest wieder eine "friedlichere" Verlaufsform bekommen. Wie soll das auch gehen, bei dieser Feindschaft?

Die USA und die ihr folgenden westlichen Staaten wollen unter allen Umständen die Ukraine auf ihre Seite ziehen für ihren Aufmarsch gegen Russland. Russland wiederum hat genau dies zu seiner "roten Linie" erklärt – nach vielen Schritten der Nato-Erweiterung an seine Grenzen möchte die Führung in Moskau den nächsten Schritt nicht hinnehmen.

Es treffen also zwei Weltmächte mit all ihrer gewaltigen Bewaffnung gegeneinander an. Die eine dieser Mächte, die USA, will die andere, Russland, weiter an die Wand drücken, um deren Einfluss in der Welt noch mehr als bisher zu limitieren. Das aber will sich die so in die Enge getriebene kleinere Weltmacht Russland nicht länger gefallen lassen.

Die Verlierer stehen schon fest

Gleich, wie dieser Konflikt ausgeht, die größten Verlierer stehen schon jetzt fest: Es sind die jeweiligen Bürger der am Krieg beteiligten Staaten. Sie lassen sich von ihren jeweiligen Herrschaften im Hass auf den Gegner aufstacheln und schießen mit bestem Gewissen aufeinander – denn man verteidigt ja nur sein Land und hehre Werte. So schossen ukrainische Soldaten jahrelang auf die Abtrünnigen in Donezk und Luhansk, auf die "Landesverräter".

So marschieren russische Soldaten in die Ukraine, um einen angeblichen Genozid zu verhindern und zu "entnazifizieren". Auf beiden Seiten steht dabei das Volk hinter deren jeweils als gerecht empfundenen Gewalt, aufgehetzt durch die jeweils gnadenlos parteiische Propaganda. Die Bürger sind zugleich Opfer und Täter: Opfer der gegnerischen Gewalt, Täter durch das Töten der Feinde.

Dabei sind die Völker der Kriegsparteien in bester Gesellschaft: Hierzulande ticken die meisten Bürger nämlich nicht viel anders. Hunderttausende demonstrieren gegen Putin und die russische Invasion, ganz im Einklang mit der stramm an der Seite der USA stehenden Bundesregierung und der diese unterstützenden Öffentlichkeit. Wirtschaft, Kultur und Sport überbieten sich in Solidaritätsbekundungen für die ukrainische Kriegspartei, und ächten all jene, die darin nicht umstandslos einstimmen.

Breite Unterstützung für deutsche Kriegsbeteiligung

Es ist eine Sache, gegen Krieg zu protestieren, die Gründe und die Kriegstreiber zu benennen. Es ist eine vollkommen andere, sich mit der Bundesregierung gemein zu machen, die in diesem Krieg Partei ergreift und mit Sanktionen und Waffenlieferungen diesen Konflikt im eigenen Interesse anheizt.

Eine dermaßen einhellige Unterstützung der Deutschen für eine Kriegsbeteiligung und eine dazu passende enorme Aufrüstung hat es bislang nicht gegeben – jedenfalls nicht nach dem Zweiten Weltkrieg.

Weltweite Demonstrationen gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine (21 Bilder)

Washington, D.C. am 6. März. Bild: Frypie / CC-BY-SA-4.0

Für die aufgewühlten Bürger ist das aber kein Problem. Sie fühlen sich im Recht. Schließlich handelt es sich um einen Angriffskrieg eines durchgedrehten Despoten, der wahlweise als "Monster", "Irrer" oder noch Schlimmeres an den Pranger gestellt wird. Ein Krieg in Europa – das hat man doch seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gehabt, und "wir" müssen einer freiheitsliebenden Demokratie unbedingt zur Seite stehen gegen ein "Unterdrückerregime"!

Auch wenn das wahrscheinlich nur wenige Parteigänger zum Nachdenken bringt – einige Anregungen dazu an dieser Stelle dennoch.