Baerbock und die Gender-Empathy-Gap

Nur Helden, überall? Ukrainische Soldaten, 2014. Bild: Sasha Maksymenko, CC BY-NC 2.0

"Frauen und Kinder zuerst" lautet die humanitäre Losung zum Ukraine-Krieg. Aber was ist mit den Männern, die auf beiden Seiten der Front kämpfen, ob sie wollen oder nicht?

Frauen, so teilte die deutsche Außenministerin diese Woche überraschend mit, seien vom Krieg in der Ukraine "überproportional betroffen".

Das ist erstaunlich, da wir täglich neue Berichte darüber lesen, dass die meisten Geflüchteten Frauen sind, während die Männer in der Ukraine bleiben müssen. Oder darüber, wie viele Soldaten mittlerweile in diesem Krieg starben. Keine Frage, die Aussage ist falsch. Männer sind die Hauptopfer dieses und fast aller Kriege. Aber was bringt die Außenministerin zu dieser Feststellung? Die Antwort ist wenig erfreulich.

Verhältnis von 17 zu 1

Niemand weiß genau, wie viele Menschen im Ukraine-Krieg gestorben sind und welches Geschlecht sie hatten. Aber sicher ist schon jetzt, dass die Todesopfer zum allergrößten Teil Männer sind. Für den Zweiten Weltkrieg wird geschätzt, dass auf eine tote Frau 17 bis 20 Männer kamen.1

Dabei gab es damals gerade in Osteuropa sehr viele zivile Opfer, unter denen Frauen einen höheren Anteil hatten als unter den militärischen Opfern (aber meist auch dort einen kleineren als Männer). Dieses Mal dürfte der Unterschied nicht geringer sein.

Die Außenministerin sagt, was sie fühlt

Die Aussage der Außenministerin beruht vermutlich nicht auf Unwissenheit. Schon Hillary Clinton erklärte einst, Frauen seien die Hauptleidtragende des Krieges, denn Sie würden ihre Ehemänner, Väter und Söhne in der Schlacht verlieren. Wie konnte sie übersehen, dass der eigene Tod für diese Männer ein noch einschneidenderes Erlebnis war als für deren Frauen, Mütter und Töchter?

Und wie kann unsere Außenministerin das Leid der Männer in der Ukraine übersehen? Auch der russischen, wie ich hinzufügen möchte. Denn die meisten kämpfen nicht freiwillig in der Ukraine.

Women have always been the primary victims of war. Women lose their husbands, their fathers, their sons in combat.

Hillary Clinton, 1998

Die plausibelste Erklärung ist, dass beide Frauen das Leid der Frauen tatsächlich weit stärker erleben und daraus den (falschen) Schluss ziehen, dass es auch größer sei. Dabei fühlen sie mit deren Leid nur stärker mit.

Die Gender-Empathy-Gap

Diese sogenannte Gender Empathy Gap ist gut belegt. Vor allem Frauen empfinden gegenüber Männern deutlich weniger Mitgefühl als anderen Frauen gegenüber. Doch sogar Männer haben oft mehr Empathie für Frauen als für andere Männer, auch wenn der Unterschied bei ihnen nicht ganz so groß ist.

Dass diese Empathielücke gerade in Kriegen eine Rolle spielt, zeigen Daten aus Israel. Dort müssen auch Frauen Wehrdienst leisten, allerdings weniger lang, nämlich "nur" zwei statt drei Jahre. Für gefährliche Einsätze werden aber auch dort oft Männer ausgesucht und psychologische Untersuchungen der Armee zeigen, dass der Tod einer Kameradin die Soldatinnen und Soldaten stärker bewegt und schockiert als der eines Kameraden.