Auf Schienen in den Krieg

Der Krieg in der Ukraine ist Anlass, das EU Military Mobility Projekt auszubauen. Deutschland erhält das größte Paket.

Schon 2016 drängten die USA darauf, dass sie sich mit ihren bewaffneten Truppenverbänden in Europa frei bewegen dürfen und nicht bei jedem Grenzübertritt in Zollformalitäten verwickelt werden. Neben den zolltechnische Hürden gefiel es den Amerikanern gar nicht, dass die euopäische Verkehrsinfrastruktur nicht für die Ansprüche des US-Militärs ausgelegt sei.

So etwa die Tunnelprofile, die nicht für die Durchfahrt von Panzern ausgelegt sind, und dazu gibt es Brücken, die nicht über die für die Überfahrt von Panzern notwendige Tragkraft verfügen. Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine will man die von den Amerikanern angesprochenen Hemmnisse für US-Truppenbewegungen jetzt im europäischen Maßstab beseitigen.

Gefordert wurde schon damals, dass Europa ein militärisches Gegenstück zum Schengen-Raum, genannt Military Schengen etabliert, das es den US-Truppen problemlos ermöglichen sollte, an der Westküste Europas angelandete Panzerverbände quer durch Europa, beispielsweise in die baltischen Staaten, verlegen zu können, ohne sich an jeder Grenze mit Zollabwicklungen beschäftigen zu müssen - und ohne beim Transport von militärischem Material die Routen Richtung Osten anhand der Tragkraft der auf diesen Strecken liegenden Brücken auswählen zu müssen.

"Military Mobility" wurde das Schlagwort, unter dem man die Optimierung der für Truppenverlegungen gewünschten Bahninfrastruktur vorantreiben wollte.

Krieg als Investitionsbeschleuniger für das 740-Meter-Netz

Noch 2016 bremste das Bundesverkehrsministerium unter Alexander Dobrindt den Ausbau des "740-Meter-Netzes", gemeint ist damit, dass Güterzüge von 740 Metern Länge darauf verkehren können. Nach den Military Schengen-Forderungen war dann zumindest der Entscheidungsweg frei und der Ausbau der deutschen Bahntrassen für das sogenannte 740-Meter-Netz wurde vom Bundesverkehrsministerium schon 2018 beschlossen.

Der Krieg in der Ukraine bietet jetzt die Gelegenheit, noch mehr Gewicht auf den Ausbau der Schieneninfrastruktur von der Westküste Europas nach Osten zu legen. 160 Millionen Euro aus dem insgesamt 339 Millionen Euro starken EU Military Mobility Fund wurden jetzt unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse in der Ukraine für den Ausbau der europäischen Schieneninfrastruktur beschleunigt bewilligt.

Zwölf der 22 von der EU ausgewählte Projekte betreffen die Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur in Deutschland, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Belgien, Italien, Frankreich, Portugal, Slowenien und Ungarn. Der Military Mobility Fund ist Teil der Connecting Europe Facility und so verwundert es nicht, dass dabei der dual-use-Aspekt besonders betont wird.

Damit belastet der Ausbau der Schieneninfrastruktur auch das Budget des Verteidigungsministeriums. Ziel der Maßnahmen ist der Ausbau der Trassen für längere und schwerere Züge und die Anbindung an die Häfen.

Anbindung der europäischen Bahninfrastruktur an die Seehäfen

Der belgische Eisenbahninfrastrukturbetreiber Infrabel erhält fünf Millionen Euro, um die Strecke zwischen dem Hafen in Antwerpen und der deutschen Grenze für 740 Meter lange Züge auszubauen. Das deutsche Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird mit 50 Millionen bedacht, um den Ausbau der Trassen nach Osten weiterzuführen.

Die baltischen Staaten, die alle eine Grenze zu Russland haben, bauen jetzt mit den EU-Mitteln ebenfalls ihre Infrastruktur aus, um die militärischen Bewegungsmöglichkeiten zu verbessern. In Estland, das mit 31 Millionen Euro die größte Unterstützung im Baltikum erhält, betont man den milititärischen Nutzen.

Man will schwerpunktmäßig Tapa, die größte Militärbasis im Land, besser an das Bahnnetz anbinden. LTG Infra in Litauen soll 13 Millionen Euro und Lettland fünf Millionen erhalten, damit man das Rail Baltica Projekt hinsichtlich des militärischen Bedarfs optimieren kann.

Die finnische Transportinfrastrukturgesellschaft Väylävirasto wird im aktuellen Projekt knapp 15 Millionen Euro für die Elektrifizierung der Strecke Laurila–Tornio–Haparanda und sieben Millionen für den Ausbau des Gleisdreiecks Oritkari, das den Anschluss des Hafens Oulun satama an die Bahninfrastruktur verbessern soll.

Der slovenische Hafen von Koper im Golf von Triest im Norden des Adriatisches Meeres soll 20 Millionen Euro erhalten, damit er besser an die europäische Bahninfrastruktur angebunden werden kann.

Weniger Geld gibt es mit drei Millionen für das Binnenland Ungarn zur Ertüchtigung von Bahnstationen in Westungarn. Mit gerade vier Millionen für die Rete Ferroviaria Italiana (RFI) in Italien, 7,5 Millionen für den Hafen von Aveiro in Portugal und 5,5 Millionen für SNCF Réseau in Frankreich für den Ausbau des Mussuguet Tunnels auf der Strecke Marseille – Ventimiglia kommt den südeuropäischen Ländern deutlich weniger Unterstützung zu als den nordöstlichen.

Der Schwerpunkt der Bahninfrastrukturanbindung an die Seehäfen zeigt deutlich, dass die Wünsche der USA hier dominieren und nicht die Optimierung der innereuropäischen Verkehrsinfrastruktur.