Mehr Ausbildungsplätze, die aber keine(r) nehmen will

Bild: The Butcher/CC BY 2.0

"Bis zu 40 Prozent aller Ausbildungsstellen in Deutschland unbesetzt": Institut der deutschen Wirtschaft (IW) spricht von ungenutzten Potenzialen. Jugendliche sollen flexibler sein

Bei Ausflügen in die Innenstadt Münchens oder in Kleinstädte im Süden Bayerns fallen seit Wochen Stellenanzeigen an Türen von Bäckereien auf, die dringend Verkaufspersonal brauchen. Ähnlich bei Metzgereien und Gastronomiebetrieben. Wie die Tageschau berichtet, gehört "Bäcker/Bäckerin" zu den Berufen, die weit oben auf der Liste mit den meisten unbesetzten Ausbildungsplätzen stehen.

Weit mehr als ein Drittel, genau: 37,5 Prozent der Ausbildungsplätze "Bäcker/Bäckerin" blieben im Jahr 2021 unbesetzt. Bei den Fachkräften Gastronomie war der Anteil genauso hoch. Noch weniger gefragt ist die Ausbildung für "Klemptner/Klemptnerin" (38,9 Prozent unbesetzte Ausbildungsplätze), in der Fleisch-Verarbeitung (42,2 Prozent) und im Verkauf Fleischwaren. Diese Branche ist auf der Liste mit 60,4 Prozent unbesetzter Ausbildungsplätze ganz oben.

Die Zahlen des Tagesschau-Berichts stammen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dort beobachtet man einen besonderen Aspekt der Fachkräfteengpässe auf dem Arbeitsmarkt.

Zu deren Besonderheiten gehört rein verbal, dass sie in den letzten Jahren - wie keine anderen Engpässe sonstwo - "weiter gestiegen sind" (aber in der Corona-Krise sind ja auch Intensivstationen mit Patienten "vollgelaufen"), und in der Realität, dass nicht nur in immer mehr Berufen offene Stellen nicht besetzt werden, sondern auch Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben.

"Angebot sogar gestiegen und zudem noch ungenutzte Potenziale"

Und dies "obwohl in Berufen mit starkem Fachkräftemangel das Angebot sogar gestiegen ist und zudem noch ungenutzte Potenziale bestehen" – vor einem Jahr wurde beklagt, dass die Corona-Krise zu weniger Lehrstellen geführt habe.

Dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln wird eine gewisse Nähe zu den Arbeitgebern nachgesagt. Das deutet sich auch bei dem IW-Papier zum steigenden Ausbildungsangebot in Berufen mit langjährigem Fachkräftemangel an. Das Problem wird weniger bei den Unternehmen gesehen, die nun mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, sondern bei den Jugendlichen, die flexibler sein könnten.

Die Herausforderung ist, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen. Es gibt in vielen Berufen und Regionen unbesetzte Ausbildungsplätze, während es in anderen Berufen und Regionen unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gibt. Doch während sich die Betriebe nur bedingt aussuchen können, in welchem Beruf sie einen Ausbildungsplatz anbieten, können Jugendliche hier durchaus flexibler agieren.

IW Köln

Es gebe ein "erhebliches Potenzial unbesetzter Ausbildungsplätze", so das Institut. Im vergangenen Jahr 2021 hätten deutschlandweit 63.000 Ausbildungsplätze (knapp zwölf Prozent aller Stellen) nicht besetzt werden können.

Werden auch diejenigen Stellen betrachtet, die aus vielfältigen Gründen nicht bei den Arbeitsagenturen gemeldet werden, liegt dieser Anteil deutlich höher bei knapp 40 Prozent.

IW Köln

Jugendliche sollen sich mehr am Bedarf orientieren

Als Lösung für das Problem schlägt das IW vor, dass Jugendliche bei der Berufsberatung noch stärker auf die Engpassberufe aufmerksam gemacht würden und die Jugendlichen sich bei der Wahl einer beruflichen Ausbildung "noch mehr am Bedarf des Arbeitsmarktes orientieren, weil sie dann sowohl bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben - aufgrund eines geringen Anteils unversorgter Bewerberinnen und Bewerber in Engpassberufen - als auch später auf eine Anstellung".

Viele Berufe mit Fachkräfteengpässen, so heißt es am Ende des Papiers, würden zudem außerdem später gute Verdienstmöglichkeiten, "beispielsweise in der technischen Produktionsplanung und -steuerung, der elektrischen Betriebstechnik oder der Automatisierungstechnik haben".

Um dem Nachwuchsproblem bei Bäckereifachverkäufer/verkäuferinnen zu entgegnen, wird das nicht passen; anderseits wird den Bäckern, die Brot backen können, weiter eine gute Zukunft vorausgesagt ("deutsches Brot verkauft sich überall"). Auch beim Verkauf von Fleischwaren sind derzeit besondere Überredungskünste für den Beruf nötig.

Die stellvertretenden DGB-Vorsitzende Elke Hannack kommentierte, dass Betriebe attraktive Bedingungen schaffen und sich auch für Bewerberinnen und Bewerber mit Hauptschulabschluss öffnen müssten.

Der Tagesspiegel berichtete Ende Februar von fast zwei Millionen Jugendlichen ohne Ausbildung.