Agroforst: Pickende Hühner unter Bäumen

Besser für Tiere und Klima: Hühnerhaltung unter Bäumen und Sträuchern. Foto: cicitony auf Pixabay (Public Domain)

Agroforstwirtschaft ist ökologisch sinnvoll und bringt vielfältige Erträge. Um sie für Landwirte attraktiver zu machen, müsste sie mehr beworben und vor allem entsprechend gefördert werden

Zwischen Apfelbäumen rennen Hühner und gefleckte Schweinchen herum. Sie wühlen den Boden auf, so dass neue Pflanzen wachsen können. Auch die Hühner scharren rund um den Baumstämmen im Boden. Wo der Fadenmäher nicht hinkommt, picken sie die Bäume frei. Manchmal springen sie auf die Äste, um Spinnen oder Insekten zu fangen, erklärt Stefan Bächli in einem Interview. Entlang der Baumreihen hat der Landwirt Leguminosen eingesät. Denn mit ihren unterschiedlich langen Wurzelarten fördern diverse Kleearten die Bodenlebewesen und damit die biologische Vielfalt.

Der Bächlihof in Rapperswil am Zürichsee ist Teil eines Netzwerkes, bestehend aus vier Höfen mit insgesamt 150 Hektar Land und 80 verschiedenen Kulturen. 600 Produkte werden ab Hof bzw. über die Gastronomie vermarktet. Zum Bächlihof, der im Frühjahr mit dem Prix Climat ausgezeichnet wurde, gehören sieben Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Davon sind fünf Hektar mit Apfelbäumen mit insgesamt 25 Sorten bepflanzt. Hinzu kommen Birnen und Zwetschgen. Drei Schweine und 60 Hühner sind im Obstbau integriert.

Im Hühnerstall wird Pflanzenkohle in die Einstreu gemischt. Jedes Mal, wenn der mobile Stall an einen neuen Platz kommt, wird der Mist-Kompost direkt aufs Feld verbracht. Hier bindet die Pflanzenkohle den Stickstoff samt Ammoniak. Damit fördert sie den Humusaufbau. Pflanzenkohle entsteht über Holzvergasung mittels Pyrolyse, wobei die Hälfte des Kohlendioxids darin gebunden wird. Pflanzenkohle ist extrem stabil, sie überdauert jahrelang auf dem Feld und trägt enorm zur Bodenverbesserung bei, schwärmt Martin Jucker. Und sie schützt das Klima.

So entzieht ein Kilo Pflanzenkohle im Boden der Atmosphäre langfristig drei Kilo Kohlendioxid-Äquivalente. Neben den Äpfeln wird jeden Tag ein Korb voller Eier im Hofladen verkauft. Statt eine teure Sortiermaschine zu kaufen, um die normgerechten Äpfel herauszusortieren, wird Obst von minderwertiger optischer Qualität verarbeitet - mit weniger maschinellem Einsatz, dafür nahezu pestizidfrei in geschlossenen Kreisläufen.

Darüber hinaus werden Kürbisse aller Sorten, die auf dem nahe gelegenen Spargelhof geerntet werden, in einer hofeigenen Kürbisausstellung präsentiert. Zu kleine, zu große oder beschädigte Kürbisse werden zu einer leckeren Suppe verkocht. "Wir regenerieren zuerst die Böden, welche gesunde Pflanzen hervorbringen. Diese ergeben gesunde Nahrungsmittel und diese ergeben gesunde Menschen", erklärt Martin Jucker. Diese hochwertigen Lebensmittel haben ihren Preis. In der Schweiz sind offenbar viele Kunden bereit, ihn zu zahlen.

"Hühnerwälder" bieten Schutz vor Raubvögeln

Auch Jochen und Hilke Hartmann in Rettmer bei Lüneburg halten ihr Geflügel in einem sogenannten Hühnerwald. Im Frühjahr 2016 pflanzten sie 1500 Pappelstecklinge und Weiden. Bereits nach einem halben Jahr war die größte Pappel 3,70 Meter hoch, erinnern sie sich. Bei der zweiten Pflanzaktion ein halbes Jahr später wurden zusätzlich Wildobst, Nussbäume und diverse andere Sträucher vor die Baumstreifen des Hühnerwaldes gesetzt.

Im Frühjahr 2020 bepflanzten sie weitere vier Hektar überwiegend mit Weiden und einigen Pappeln. Mit zehn Quadratmetern pro Tier bietet der Hühnerwald doppelt so viel Platz, wie gesetzlich für die Freilandhaltung vorgeschrieben. Unter den Bäumen verteilen sich die Tiere nicht nur besser beim Scharren und Picken. Sie bieten auch Schutz vor dem Habicht und anderen Beutegreifern.

Nicht zuletzt trägt die bunte Mischung an unterschiedlichen Sträuchern, Bäumen, Wildblumen und diversen Futterpflanzen zu einem vielfältigen und gesunden Ökosystem bei. Wild- und Honigbienen werden von Weidenkätzchen und den Blüten des Pfaffenhütchens angezogen. Dessen Beeren und Samen wiederum werden im Winter von Rotkehlchen und anderen Vögeln gefressen. So suchen Heckenbrüter gerne unter den Dornen des Weißdorns, dessen Beerenfrüchte sie auch fressen, Schutz vor Raubvögeln.

Hühnerwälder sind wertvolle Refugien, gerade vor dem Hintergrund immer länger werdender Hitzeperioden. Denn die Bäume haben eine kühlende Wirkung auf die Tiere, die unter ihnen ruhen. Sie strukturieren die Landschaft, halten die Feuchtigkeit im Boden, bauen Humus auf, speichern Kohlenstoff, liefern Futter, Holz und Nahrungsmittel – von Honig und Nüssen bis hin zu Apfelsaft und Obstschnäpsen. Sie bereichern die Artenvielfalt und bieten Lebensraum für selten gewordene Arten wie Neuntöter, Steinkäuze, Wiedehopf, Rebhühner sowie Fledermäuse, Bilche, Wildbienen, Laufkäfer oder Eidechsen. Allein in den norddeutschen Knicks leben rund 7000 Tierarten. In einer einzigen süddeutschen Hecke wurden 900 Arten gezählt.

Daneben bieten Weiden, Holunder-, Johannis- und Apfelbeeren, Birnen-, Mirabellen-, Pflaumen- , Hasel- und Walnussbäume, Liguster, Erbsensträucher und Vogelbeeren den Hühnern einen vielfältigen Speiseplan. Über ein saisonal unterschiedliches Angebot an Blüten und Früchten erhöht sich gleichzeitig die Artenvielfalt. Über den anfallenden Hühnerdung, die Biomasse der Gehölze, in den Boden eingearbeitete Frischzweigehäcksel sowie Waldboden-Pilzkulturen verbessert sich gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit. Die Bäume auf Pappeläckern werden zusätzlich als so genannte Energiepflanzen genutzt.