Netzwiederaufbau nach einem Netzzusammenbruch

Bild: Bran/gemeinfrei

Schwarzstart? Kraftwerke proben für den Fall des Falles den Wiederaufbau des Stromnetzes

Wenn sich ein flächendeckender Netzzusammenbruch nicht verhindern lässt, muss zumindest der Wiederaufbau schnell und sicher erfolgen. Das wurde jetzt von zwei Übertragungsnetzbetreibern in Verbindung mit schwarzstartfähigen Kraftwerken trainiert.

Die beiden Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH und TransnetBW GmbH haben mit der Schluchseewerk AG am 30. April den Wiederaufbau des Stromnetzes in Süddeutschland in einem Praxisversuch geprobt.

Der Aufbau des Versuchs unter der Projektleitung von Amprion erstreckte sich, verzögert durch die Corona-Pandemie, über vier Jahre. Die Unternehmen wurden dabei vom Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiemanagement der TU Kaiserslautern unterstützt. Dabei war die intensive Abstimmung zu technischen und organisatorischen Fragen zwischen den beteiligten Häusern nur ein Teil der Arbeit.

Zusätzlich waren Verteilnetzbetreiber und andere Netznutzer in die Vorbereitung eingebunden, damit der Praxistest die Versorgung an keiner Stelle einschränkte. Die Netzbetreiber sorgten auch für eine intensive analytische Begleitung des Hochfahrnetzes: Ein Hochfahrnetz zu erproben, ermöglichte es, aufwendige Messungen in einem solchen Netz zu machen. So sammelten die Unternehmen in allen Teilen des Netzes Daten, die nun gemeinsam mit dem Lehrstuhl Elektrische Energiesysteme der Universität Duisburg-Essen analysiert und aufbereitet werden.

Amprion und TransnetBW haben für den gemeinsamen Test mit der Schluchseewerk AG zwei sogenannte Hochfahrnetze in Deutschland aufgebaut und sie anschließend zusammengeschaltet. Hochfahrnetze sind die technische Grundlage dafür, die Versorgung nach einem Netzzusammenbruch wiederherzustellen. Amprion sieht den erfolgreichen Praxistest als echten "Meilenstein für die systemrelevante Elektrizitätsinfrastruktur".

Bei dem Test am 30. April bewiesen die drei Unternehmen - nach eigenen Aussagen -, dass sie dazu in der Lage seien, ein Netz nach einem vollständigen Netzzusammenbruch wiederaufzubauen und die Versorgung damit wiederherzustellen. Obwohl ein großflächiger Ausfall der Stromübertragungsnetze äußerst unwahrscheinlich sei, gehöre es zur Verantwortung der Netzbetreiber, sich darauf vorzubereiten. Der Test habe gezeigt, dass sowohl die Kommunikation als auch die Abläufe auch in der Praxis einwandfrei funktionierten.

Im Praxistest überprüft, was bislang nur simuliert wurde

Training und Tests erfolgten bislang in komplexen Simulationen. Der Praxistest verlangte dagegen, dass die Unternehmen ihr Vorgehen unter realen Bedingungen erproben. Beide Übertragungsnetzbetreiber hatten dazu einen Teil des Netzes aus dem Verbundnetz herausgelöst, komplett heruntergefahren und erfolgreich von null wieder aufgebaut.

Der Praxistest fand in drei Schritten statt. Nachdem ein Teil des Netzes komplett heruntergefahren wurde, starteten die Pumpspeicher der Schluchseewerk AG den Wiederaufbau, indem sie aus eigener Kraft hochfuhren. Als schwarzstartfähige Kraftwerke garantieren sie den Übertragungsnetzbetreibern TransnetBW und Amprion, dass sie im Fall eines Netzzusammenbruchs Energie liefern können.

Pumpspeicherkraftwerke

Mit dem Praxistest wollte man die Systemrelevanz von Pumpspeicherkraftwerken verdeutlichen, die schnell und in großen Mengen Strom bei Bedarf ins Netz leiten oder auch aus dem Netz ziehen können.

Die Bedeutung von Pumpspeicherkraftwerken war in der jüngeren Vergangenheit in Zweifel gezogen worden, weil man hoffte, mit chemischen Speichern kostengünstiger zu fahren. Nachdem die Kraftwerke wieder hochgefahren waren, setzten sie jeweils ein Hochfahrnetz von Amprion und von TransnetBW unter Spannung.

Dies war der erste Schritt, um das Netz wieder in Betrieb nehmen zu können. Nach der erfolgreichen Spannungsfahrt startete der Aufbau des vollständigen Hochfahrnetzes.

Die Bedeutung von Hochfahrnetzen

Nach einem Netzzusammenbruch bauen die Übertragungsnetzbetreiber die Versorgung in mehreren Schritten wieder auf. Dazu nutzen sie vorkonzipierte Netze, sogenannte Hochfahrnetze. Hierbei werden einzelne Abschnitte des Netzes, ausgehend von schwarzstartfähigen Kraftwerken, schrittweise zusammengeschaltet und stabilisiert, bis das gesamte Verbundnetz wieder in Betrieb ist.

Beim Aufbau werden Schritt für Schritt neue Lasten und neue Erzeuger an dieses Hochfahrnetz angeschlossen. Auch beim Wiederaufbau müssen Einspeisung und Entnahme immer im Gleichgewicht bleiben, daher muss für jede neue Energiequelle gleichzeitig ein neuer Energieverbraucher zugeschaltet werden.

Während des parallelen Tests bei den beiden Übertragungsnetzbetreibern hatten die Systemführungsingenieure von Amprion und TransnetBW die Balance im eigenen Netz gehalten und dabei mit dem anderen Netzgebiet kooperiert und sich gegenseitig unterstützt. Die Schluchseewerk AG bewies, dass sie die Leistung ihrer Pumpspeicherkraftwerke in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern zum Netzwiederaufbau einsetzen kann.