Italien: Uneinigkeit über Waffenlieferungen an die Ukraine

Regierung unter Druck: Der Chef der 5-Sterne-Bewegung und die Lega Nord sprechen sich dagegen aus. Laut Umfragen ist auch die Bevölkerung nicht überzeugt

Nun sollen zur Unterstützung Kiews neben den Waffen auch noch weitere Soldaten nach Osteuropa entsendet werden, womit Italien sowohl seine Nähe zu Selenskyj als auch seinen vorbehaltlosen Konsens zu Aktionen anderer Nato-Mitgliedstaaten bezeugt - und das in einem viel größeren Umfang als bisher.

Ein Kontingent von mindestens 600 Soldaten soll in den kommenden Wochen nach Ungarn und Rumänien geschickt werden und sich den anderen Nato-Einheiten anschließen, die das Gebiet an der Grenze zur Ukraine schützen.

Italien könnte sogar mit der Leitung der Operationen in Budapest betraut werden. Weitere Einzelheiten wird eine "Missionsresolution" offenbaren, die der Ministerrat in den nächsten Tagen angeblich verabschieden soll, um sie anschließend dem Parlament zur Ratifizierung zu unterbreiten. Zählt man die für Bulgarien vorgesehenen 500 Männer hinzu, werden die italienischen Streitkräfte über 1.000 Soldaten umfassen. Der Verteidigungsminister Lorenzo Guerini (!) hat mehrmals betont, wie sehr diese Haltung der Abschreckung, Beruhigung und Festigung der Sicherheit dienen solle.

Aus Sicherheitsgründen wurde die Liste des zu verschickenden Kriegsarsenals bisher zwar geheim gehalten, allerdings wird angenommen, den ukrainischen Behörden werden neue Ausrüstungen und hochmoderne Instrumente zur Verfügung gestellt werden, wie Drohnen, Anti-Drohnen, Vorrichtungen zur Störung von Radarfrequenzen und andere widerstandsfähige Verteidigungssysteme.

Der gesetzliche Rahmen

Welcher gesetzliche Rahmen bevollmächtigt die Waffenlieferungen? Bereits am 1. März verabschiedete das Parlament trotz des Vetos einiger Fraktionen ein Gesetzesdekret (und späteres Gesetz), das bis zum 30. September die Lieferung von Granatwerfern, Stinger-Werfern, schweren Browning-Maschinengewehren, Browning-Munition, leichten Maschinengewehren, Panzerabwehrraketen, Panzerabwehrmunition, K-Rationen, Funkgeräten, Helmen und Westen nach Kiew zulässt.

Während seines USA-Staatsbesuches hatte Ministerpräsident Mario Draghi prompt und ohne zusätzliche Ankündigung weitere Lieferungen schwerer Waffensysteme bestätigt – bis schließlich vergangene Woche der Senat die Umwandlung des "Ukraine-Gesetzesdekrets 2" in ein Gesetz per Vertrauensvotum gebilligt hat.

Doch bevor das Dekret tatsächlich Gesetz wird, muss es noch die Abgeordnetenkammer durchlaufen.

Und die Volkssouveränität?

Ungeachtet der Proteste der 5-Sterne-Bewegung und der Lega Nord hat die Regierung also weitere Lieferungen schwerer Waffen ohne erneute Abstimmung im Parlament zugestanden. Der Regierung wird von ihren Kritikern entgegengehalten, dass es ihr an Legitimität mangelt, da sie von einem Premier angeführt wird, der, wie etliche andere vor ihm, nicht vom Volk gewählt wurde. Damit entbehre sie der wünschenswerten demokratischen Grundlage.

Als Staatspräsident Sergio Mattarella beschloss, nach Giuseppe Contes Rücktritt keine Neuwahlen einzuberufen, wurde der Technokrat Draghi einfach von oben oktroyiert. Es handelte sich dabei um eine rein parlamentarische Umbesetzung, was von Kritikern als politisch skrupelloser Akt eines profilierungssüchtigen Staatsoberhauptes gewertet wird. Paradoxerweise konnte dies alles seelenruhig unter formeller Beachtung der Verfassung geschehen.

Eben hier setzt der Leiter der Fünf-Sterne-Bewegung Conte an. Er zeigte sich überrascht über die Entscheidung Draghis, vor seiner USA-Reise dem Parlament nicht Bericht zu erstatten und keine formelle Parlamentsabstimmung abzuwarten.

Conte: "Das Wettrüsten ist Wahnsinn"

Das Wettrüsten sei ein Wahnsinn, so Conte, und nicht der richtige Weg zur Beilegung des Konflikts. Somit distanziert sich Conte zunehmend von den anderen Mehrheitsparteien; und auch innerhalb der 5-Sterne-Bewegung scheint Uneinigkeit zu herrschen. Auf Instagram wies Conte die Andeutung auf eine Isolation der 5-Sterne-Bewegung allerdings entschieden zurück.

Er meinte, es sei absurd, die Waffenlieferungen nicht infrage zu stellen und dass die 5-Sterne-Bewegung unter allen politischen Kräften es als einzige gewagt hatte, den außenpolitischen Kurs der Regierung zu kritisieren. Italien sei weder in der Lage, noch habe es die Mittel oder den Willen, weitere Waffen an die Ukraine zu liefern.

Angesichts der russischen Aggression sei es am Anfang der Krise wichtig gewesen, Draghi ein einheitliches Mandat zu erteilen, doch jetzt sei es an der Zeit, eine Änderung vorzunehmen. Conte betont, wie wichtig es sei, der kontinuierlichen Entsendung von Waffen ein klares "Nein" entgegenzusetzen – im Rahmen des Nato-Abkommens.

Das Außenministerium verneint parteiinterne Meinungsverschiedenheiten zwischen Conte und Außenminister Di Maio. Zwischen den beiden gebe es keine Spannungen – im Gegenteil - die Bewegung sei auch intern weiterhin kompakt.

Doch Conte steht mit seinem Kreuzzug gegen die Waffenlieferungen nicht alleine da. Auch der Parteisekretär der Lega, Matteo Salvini, gibt sich konsterniert und wettert gegen die beschlossenen Waffenlieferungen. Er greift die Regierung an und stellt sich auf die Seite Contes: "Mehr Waffen für die Ukraine? Genug jetzt! Nur die USA und das Vereinigte Königreich wollen den Krieg".

Laut jüngster Umfragen spricht sich die Mehrheit der Italiener gegen die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus.

Für den 19. Mai ist eine parlamentarische Anhörung zum Thema Waffenlieferung an die Ukraine angesetzt. Es bleibt nur abzuwarten, wie sich Draghi über seine apodiktischen Entscheidungen äußern wird.

Das Halali ist in diesem Konflikt wahrscheinlich noch lange nicht ausgerufen. Auch in Italien ist die Frage, ob das Land mit seinen Waffenlieferungen, der Verhängung von schweren Sanktionen gegen Russland und der Entsendung von Soldaten nicht zur Kriegspartei wird?