Teilblockade von Kaliningrad: Der Krieg rückt auf Berlin zu

Museumsschiffe im Hafen von Kaliningrad. Liegen hier bald Kriegsschiffe? Bild: Ttracy, CC BY 3.0

Es droht die Ausweitung des Ukraine-Konfliktes zum europaweiten Waffengang. Verantwortlich dafür sind keine Schlafwandler, sondern scharf kalkulierende Akteure. Auch in der Bundesregierung.

Zum Verständnis des Ukrainekriegs findet ein Bild Verbreitung, mit dem bereits der Erste Weltkrieg erklärt wurde. "Ziehen wir in eine Katastrophe wie die Schlafwandler 1914?", fragt Konrad Schuller in einem ganzseitigen Artikel in der FAZ. Ähnlich der ehemalige Chefredakteur des Blattes Cicero, der unter der Überschrift Die neuen Schlafwandler konstatiert: "Wie unsere Neo-Bellizisten das Risiko einer katastrophalen Eskalation nonchalant übersehen."1

Auf den ersten Blick überzeugt das Bild. Der Krieg begann am 24. Februar mit der Invasion der russischen Armee in die Ukraine – und damit als regionaler Krieg. Der russische Präsident behauptete am 9. Mai, es handle sich um eine Art innerrussische Angelegenheit: "Wir führen eine militärische Spezialoperation durch – als reine Verteidigungsaktion von historischem russischem Land".

US-Präsident Joe Biden und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherten mehrfach, "keinen Krieg gegen Russland führen" zu wollen. Und der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) stellte am 23. März im Bundestag klar: "Wir werden der Ukraine helfen, ohne selbst Kriegspartei zu werden."

Allerdings gingen zum Zeitpunkt, als diese Aussagen gemacht wurden, alle Beteiligten davon aus, dass der Krieg eine Angelegenheit von wenigen Wochen sei. Inzwischen tobt er seit vier Monaten. Und er nimmt von Woche zu Woche größere Dimensionen an.

Die ukrainische Führung erklärte Mitte Juni, man werde "erst wieder für Ende August" Verhandlungen ins Auge fassen. Auf die Frage "Würden Sie einem Friedensabkommen zustimmen, wenn Russland sich hinter die Kontaktlinie von 2014 zurückzieht" – das heißt, wenn Russland alle seit dem 24. Februar 2022 eroberten ukrainischen Gebiete wieder an Kiew zurückgeben würde –, antwortete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi Mitte Juni: "Die Krim gehört zur Ukraine, die Regionen Donezk und Luhansk ebenfalls. Selbstverständlich wird unser Volk seine Hoheitsgebiete nicht aufgeben."2

Jens Stoltenberg argumentiert: "Der Krieg kann Jahre dauern." Und während bei Beginn des Krieges die westlichen Länder bei der Lieferung von Waffen eher zurückhaltend waren, gibt es inzwischen ein Wettrennen, welcher Staat die schwereren Waffen und diejenigen Rüstungsgüter mit nochmals größerer Reichweite liefert.

Die Ukraine wird mit Waffen aus dem Westen derart vollgepumpt, dass der Generalstabschef der USA, Mark Milley, bereits eine Planübererfüllung konstatierte: "Kiew hat 200 Panzer angefragt, geliefert wurden 327; bei Schützenpanzern lieferten wir 300 anstelle der erbetenen 200 Fahrzeugen. Die Zahl der gelieferten Panzerabwehrwaffen liegt bei 97.000 – mehr als es Panzer auf der ganzen Welt gibt."3

Tatsächlich ist der Krieg längst zum Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland geworden. Dabei stellt die ukrainische Armee für die Nato das Kanonenfutter; das Land dient als Showroom für moderne Waffensysteme und für überholt geglaubte Materialschlachten.

Diese Entwicklung folgt einer Logik – und spätestens seit Mai auch einem Plan. Das Bild von den Schlafwandlern war bereits als Erklärung für den Ersten Weltkriegs falsch.4

Und es führt in die Irre, wenn die jüngere Entwicklung im Ukraine-Krieg verstanden sein will. Inwieweit die US-Regierung bereits im Vorfeld der russischen Invasion Pläne für einen großen regionalen Krieg gegen Moskau hatte und Putin mit der Invasion in eine Falle gelaufen war, muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenbleiben.