G-7-Proteste in Elmau: Der große Auftaktflop der Gipfelgegner

Teilnehmer der Proteste gegen den G-7-Gipfel 2022. Bild: Claudia Wangerin

Kritikern gelingt es nicht, das Wesen des Ukraine-Kriegs in den Mittelpunkt zu stellen. Mobilisierungskraft massiv geschwunden, Unmut in Bevölkerung vorhanden.

Ein großes Polizeiaufgebot rund um die Münchner Theresienwiese kündigte am Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt die zentrale Demonstration gegen den G-7-Gipfel an, der in Elmau begonnen hat. Viele Medien wiesen später darauf hin, dass die Teilnehmerzahl mit knapp 7.000 Personen hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Süddeutsche Zeitung fügte hinzu, der Schwarze Block habe sich zurückgehalten.

Noch einige Tage zuvor waren Brandstiftungen in München von der Polizei umgehend mit dem G-7-Gipfel in Verbindung gesetzt, obwohl in der eigenen Pressemitteilung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Hintergründe noch gar nicht geklärt sind.

Für Aufregung in der Politik sorgte ein Leak. Vertrauliche Dokumente zum G-7-Gipfel von 2015, darunter das Einsatzkonzept der Polizei, waren auf der Online-Plattform Indymedia dokumentiert.

Mittlerweile hat die Polizei Daten von Servern der Münchner Piratenpartei beschlagnahmt. Die linksliberale Partei, die in München noch aktiv ist, spricht davon, dass auch Daten von Mitgliedern darunter sind.

Bundesweit hat weder die Veröffentlichung der Daten noch die Polizeimaßnahmen einen größeren Mobilisierungseffekt in außerparlamentarischen Bewegungen ausgelöst. Die Linkspartei hatte ihren Bundesparteitag ausgerechnet auf das gleiche Wochenende gelegt. Mit ihrer Präsenz konnte nicht gerechnet werden.

Außerparlamentarische Linke nicht mobilisierungsfähig

Erklärungsbedürftiger ist, warum auch viele der Gruppen der außerparlamentarischen Linken, die noch 2015 gegen den damaligen Gipfel nach Elmau mobilisiert hatten, dieses Jahr nicht dabei waren.

Einige Demonstranten erklärten das damit, dass sich die außerparlamentarische Linke vom Corona-Lockdown noch nicht erholt hat. Viele der Gruppen haben danach nicht wieder ihre frühere Handlungsfähigkeit hergestellt. Weitere Gründe für die Protestflaute hat Christian Jakob in der taz benannt. Er beschreibt die Wurzeln der globalisierungskritischen Linken in den 1990er-Jahren und benannt dabei den Aufstand der Zapatisten in Mexiko als eine wichtige Inspiration.

"Multitude" oder "Subalterne", das waren Begriffe aus der Theorie, mit denen manche die neue, globale Massenbewegung zu fassen versuchten. Spürt man ihren Ideen nach, landet man im mexikanischen Urwald 1994, als die indigene Zapatista-Guerilla ihre frohe Botschaft der Machtergreifung von unten verkündete. (…) Akteure wie Attac, Peoples Global Action, Ya Basta oder La Via Campesina wurden geboren und machten gemeinsame Sache mit Gewerkschaften, Kirchen, Umweltverbänden, Autonomen.

Christian Jakob, taz

Jakob macht auch klar, dass die Themen, die damals angesprochen waren, von Kritik an einer marktradikalen Wirtschaftspolitik bis zur Abnutzung von Mensch und Natur aktueller denn je sind. Trotzdem kommt er zu dem Schluss:

Aktueller könnte eine Agenda kaum sein. Massen, die mit ihr zu den Gipfeln ziehen, gibt es aber keine mehr. "Die Kette ist abgerissen. Es gibt keine kollektive Identität als globalisierungskritische Bewegung mehr", sagt der Protestforscher Simon Theune.

Dieser Bewertung kann kaum widersprochen werden. Auch bei den Protesten gegen das Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, die vor 20 Jahren immer wieder für mehrere Tage die Schweiz in Atem hielten, sind sehr geschrumpft.