Inflation: Was tun gegen Energiearmut?

Einheitliche Energiekontingente könnten die Schwachen entlasten. Die Vielverbraucher müssten wie die Industrie stärker zur Kasse gebeten werden. Bild: Tim Reckmann / CC-BY 2.0

Umverteilung der Energiesteuer, Neun-Euro-Ticket und kostenlose Grundversorgung könnten helfen. Ein Kommentar.

Die Energiepreise gehen durch die Decke und bereiten einer zunehmenden Zahl von Menschen Sorgen. Schwer haben es besonders jene, bei denen das Einkommen schon vorher kaum reichte. Jeder Fünfte hat in Deutschland wegen der steigenden Preise, wie berichtet, schon sein Konto überziehen müssen.

Dabei haben viele die Inflation der Heiz- und Stromkosten noch gar nicht voll zu spüren bekommen. Die meisten Mieterinnen und Mieter bekommen ihre Heizkostenabrechnungen erst im Winter, und auch viele der jährlichen Gas- und Stromabrechnungen stehen noch aus.

Zwar haben alle, die nach dem Sozialgesetzbuch II oder dem Asylbewerberleistungsgesetz Unterstützung erhalten, einen Anspruch, dass die gestiegenen Heiz- und Warmwasserkosten von den Ämtern übernommen werden, doch der ist nicht immer einfach durchzusetzen. Insbesondere, wenn Strom fürs Heizen oder für Warmwasser eingesetzt wird – womöglich in alten, ineffizienten Anlagen, die zu erneuern der Vermieter kein Interesse zeigt –, ist es kompliziert und aufwändig, seinen Rechtsanspruch geltend zu machen.

Zynismus der Satten

Und nicht jeder hat die Kraft dazu. Wer als alleinstehende Erwachsene nur 449 oder als Flüchtling im Asylverfahren gar lediglich 367 Euro im Monat für den Lebensunterhalt bekommt, hat oft nicht mehr viel Energie, sich auch noch mit der Behörde herumzuschlagen.

Viele andere haben keinen entsprechenden Anspruch auf Unterstützung. Für die Millionen der prekär Beschäftigten, für die Studentinnen und Studenten aus Arbeiterfamilien, für viele Rentnerinnen und Rentner, für die vielen Menschen in schlecht bezahlten Berufen wird es richtig eng werden. Für manchen wird es heißen, dass es zum Monatsende nur noch trockenes Brot gibt.

Ansagen aus der Bundesregierung, die Menschen sollten eben nicht so lange Duschen oder weniger Heizen, können da schon zynisch wirken. Insbesondere wenn zugleich einerseits angemessene Unterstützung für den ärmeren Teil der Bevölkerung immer wieder abgelehnt wird, andererseits aber über drei Milliarden Euro per Tankrabatt in die Kassen der Mineralölkonzerne umgeleitet werden – oder Wohlhabende vom Fiskus bis zu 6000 Euro geschenkt bekommen, wenn sie sich ein Elektroauto gönnen.

Auswege

Doch was ließe sich gegen die sich rapide ausbreitende Energiearmut machen? Als allererstes könnte das Neun-Euro-Ticket verlängert oder zur neuen Norm werden. Das wäre für viele eine erhebliche finanzielle Erleichterung und könnte zudem einen wichtigen Impuls für die Verkehrswende setzen.

Als Nächstes könnten zum Beispiel die Einnahmen aus der Energiesteuer in Form eines einheitlichen Bürgergeldes an alle ausgeschüttet werden. Das würde jene, die wenig verbrauchen – und das sind in der Regel die ärmeren und ärmsten Haushalte –, begünstigen. Würde die Besteuerung etwas angehoben, so entstünde zugleich ein Anreiz, den Verbrauch zu mindern.

Oder man könnte kostenlose Energiekontingente einführen, sozusagen eine kostenlose Grundversorgung. Pro Person gebe es dann zum Beispiel 1500 Kilowattstunden Strom und 5000 Kilowattstunden Heizleistung im Jahr.

Finanzieren ließe sich das unter anderem durch eine deutliche Verteuerung des darüber hinausgehenden Verbrauchs. Zugleich müssten Standards eingeführt werden, die die Vermieter auf effiziente Heizungsanlagen und Wärmesanierung verpflichten und ihnen andernfalls auferlegen, die Mehrkosten der Mieter zu übernehmen.

Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung wäre, nach vielen Jahrzehnten der Subventionierung durch Privat- und Kleinverbraucher, die Industrie endlich angemessen für ihre Energiekosten zahlen zu lassen. Das Zeitalter des billigen Industrie- und teuren Haushaltsstroms müsste beendet werden, ein Schritt, der mit Sicherheit eine Effizienzrevolution auslösen würde