34 zu vier Prozent: Wie das tödlichste Krankheitsbild aus dem Fokus gerät

Debatte über Corona-Pandemie nimmt wieder an Fahrt auf. Fachstiftung weist auf Ursache für die meisten Sterbefälle hin. Stimmt die Schwerpunktsetzung der Bundesregierung?

Nach wie vor sterben die meisten Menschen an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darauf weist in ihrem aktuellen Jahresbericht die Deutsche Herzstiftung hin, um mehr gezielte Programme gegen dieses gesellschaftliche Problem zu fordern. Der Bericht und die Kommentierung der Stiftung werfen auch ein Schlaglicht auf eine Schieflage nach zwei Jahren Corona-Pandemie: Viele gefährliche Krankheiten drohen in Vergessenheit zu geraten.

"Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen mit anhaltend hohen Sterblichkeits- und Hospitalisationsraten eine enorme Herausforderung für das Gesundheitswesen dar", schreibt die Stiftung nun in einer Pressemitteilung zu ihrem aktuellen Jahresbericht. Millionen Menschen in Deutschland litten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die mit über 338.000 Sterbefällen (2020) für 34 Prozent aller Todesfälle verantwortlich sind.

Zudem würden pro Jahr mehr als 1,7 Millionen Menschen wegen Herzkrankheiten vollstationär in Kliniken versorgt. Die Herzstiftung versteht sich als Lobbyorganisatin für diese große Patientengruppe. Der Stiftungsvorsitzende Prof. Dr. Thomas Voigtländer sagt: "Kernziel unserer Arbeit ist es, die Lebensqualität chronisch herzkranker Menschen und deren herzmedizinische Versorgung zu verbessern sowie die Krankheitslast und Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern."

Die Stiftung, die sich trotz Corona-Pandemie gut aufstellt sieht, fordert seit Längerem eine Nationale Herz-Kreislauf-Strategie. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes geben ihr dabei recht: Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten dieser Quelle zufolge in Deutschland mit über 338.000 Toten einen Anteil von 34,3 Prozent an allen Todesfällen.

Als weitere Ursachen folgen in der Aufstellung bösartige Neubildungen bei Krebserkrankungen (23,5 Prozent), Krankheiten des Atmungssystems (6,2 Prozent), psychische und Verhaltensstörungen (sechs Prozent).

Covid-19, das als Krankheitsbild in Folge einer Sars-CoV-2-Infektion auftreten kann, ist nach aktuellen Statistiken für gerade einmal vier Prozent der Todesfälle verantwortlich. 26 Prozent der Sterbefälle weist das Statistische Bundesamt anderen Krankheiten zu.

Fragen nach dem Fokus der Gesundheitspolitik im Bund

In Anbetracht der anhaltend hohen Sterblichkeit und Erkrankungshäufigkeit durch Herz- und Kreislaufkrankheiten in Deutschland sei eine nationale Strategie für eine bessere medizinische Versorgung dringend notwendig, heißt es seitens der Herzstiftung. Sie spricht sich auch für mehr innovative Forschung auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus.

Man stimme mit den kardiologischen Fachgesellschaften darin überein, dass eine Nationale Herz-Kreislauf-Strategie zur Senkung der kardiovaskulären Sterblichkeit und besseren Prognose für Herzpatienten beitragen könne.

Im vergangenen Jahr hatte die Stiftung das Aktionsbündnis "Beherzt Handeln" gegründet, das einen Entwurf für eine Nationale Herz-Kreislauf-Strategie mit konkreten Vorschlägen ausarbeitete hat, verbunden mit der Forderung an die Bundespolitik, diese in den Koalitionsvertrag aufzunehmen.

Beteiligt sind an der Initiative neben der Herzstiftung die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sowie die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK).

Ein entsprechendes Bundesprogramm findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag für die Regierungszeit 2021 bis 2025 allerdings nicht. Dort heißt es stattdessen: "Die Pandemie zu besiegen, ist in diesen Tagen unsere vordringlichste Aufgabe, der wir uns mit voller Kraft widmen."

Der Jahresbericht der Herzstiftung wirft damit auch ein Schlaglicht auf die Schwerpunktsetzung in der Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Der Vorsitzende des Kassenärztlichen Bundesverbandes, Andreas Gassen, hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in diesem Kontext unlängst die Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen. Gassen begründete dies mit mutmaßlich überhöhten Bestellungen von Corona-Impfdosen.