Goldgrube: Freie Schulen in Schweden

Wie man mit Steuergeldern fette Gewinne macht.

Die Kosten für Bildung sind normalerweise eine Staatsausgabe, die für sinnvoll angesehen wird. In Schweden haben jedoch Gesetzesänderungen dazu geführt, dass sich inzwischen undurchsichtige Aktiengesellschaften die Taschen mit den Zuschüssen für freie Schulen vollstopfen – zum Nachteil der Kommunen, Schüler und Eltern - Über eine Reform, die vielleicht gut gemeint, aber nicht gut war, ihre Bedeutung für die Wahl in Schweden am 11. September und was andere Länder besser nicht von Schweden lernen sollten.

"Gewinnausschüttung bei freien Schulträgern soll verboten werden" - das ist die erste These im Wahlkompass des schwedischen Fernsehens SVT, zu der man Stellung nehmen soll. Aber wie kann man überhaupt in Schweden als freier Schulträger so viel Geld machen, dass das sogar zum Wahlkampfthema wird?

Die entscheidende Reform kam 1992 unter der Regierung von Carl Bildt, einer liberal-konservativen Allianz aus Moderaten, Christdemokraten, Zentrum und Volkspartei, die heute Liberale heißen. Unter dem Motto "Wahlfreiheit" wurde die Finanzierung von freien Schulen neu geregelt. Prinzipell jeder sollte eine aufmachen können, sofern er sich an die Lehrpläne hielt und die Qualität sicherstellen konnte.

Diese Schulen sollten dafür eine Erstattung pro Schüler von der jeweiligen Kommune erhalten – Schulfinanzierung ist in Schweden komplett Sache der Kommunen. Dahinter stand auch die Hoffnung, dass es einen Wettbewerb geben würde und dass dieser zu besseren Schulen bei geringeren Kosten führen würde – ein Wirken der Kräfte des "Marktes" eben.

Es war aber klar, dass die kommunalen Schulen weitreichendere Aufgaben und Verpflichtungen hatten. Deshalb sollte die Erstattung pro Schüler bei einem freien Träger nur 85 Prozent des Durchschnittswertes an den örtlichen kommunalen Schulen betragen.

Ein weiterer entscheidender Schritt kam in der Regierungszeit des Sozialdemokraten Göran Persson 1995/1996. Mit dem Ideal gleichwertiger Ausbildungschancen für alle Kinder wurden die Ansprüche an die freien Schulträger erhöht. Sie durften keine Gebühren von den Eltern fordern, sie durften sich ihre Schüler nicht beispielsweise durch Tests anhand ihrer Leistung auswählen und sie mussten auch die Gesundheitsbetreuung und -vorsorge betreiben, zu der kommunale Schulen verpflichtet sind.

Dafür sollten sie dann aber auch eine Erstattung in der vollen Höhe bekommen, die Kommune im Durchschnitt für ihre Schüler selbst ausgibt. Verglichen mit den länderspezifischen Regelungen in Deutschland ist das eine komfortable Position für die freien Schulträger und für die Eltern dieser Schüler.

30 Jahre nach der ersten Reform sieht die Lage so aus: Gut 15 Prozent der Schulpflichtigen, also Grundschüler bis inklusive 9. Klasse, besuchen die Schule eines freien Trägers. Rund 30 Prozent derjenigen, die danach noch die freiwillige gymnasieskola anhängen, vergleichbar mit der gymnasialen Oberstufe, nutzen das Angebot eines freien Trägers. Von diesen freien Schulen sind 61 Prozent der Grundschulen und 88 Prozent der Oberstufen in der Hand von Aktiengesellschaften.

Andere werden von einer Art Genossenschaft, Stiftungen oder ehrenamtlich betrieben. Sieben Aktiengesellschaften betreiben jeweils mehr als 21 Schulen. Davon gehören allein drei zum Mutterkonzern AcadeMedia, Schwedens größtem Bildungskonzern. (Quelle: Marknadsskolan. Bericht für den schwedischen Lehrerverband)

Dresscode: Rocklänge der Schülerinnen wird gemessen

Das hässliche Gesicht der Gewinner auf dem Schulträger-Markt ist Barbara Bergström. Sie gründete Internationella Engelska Skolan (IES), also eine Schule, in der teilweise auf Englisch unterrichtet wird, mit inzwischen mehr als 40 Schulen und 30.000 Schülern. Im Januar berichtete Aftonbladet darüber, dass in der IES in Täby bei Stockholm die Rocklänge der Schülerinnen gemessen wurde – wer zu kurz unterwegs war, musste eine der schwarzen Leggings anziehen, die die Schule für solche Fälle vorrätig hält.

Barbara Bergström verteidigte den Dresscode der Schule als "Anstand und Respekt". Kurz zuvor war sie selbst in den Schlagzeilen gewesen, weil sie sich während einer Reportage von Dagens Nyheter die Hände am Hemd des Fotografen abgetrocknet hatte, angeblich eigentlich nur eine Umarmung.

Doch es sind nicht nur Bergströms seltsame Vorstellungen von Anstand und Respekt, die ihr ein schlechtes Image gaben: "Barbara Bergström gab den Menschen ein Gesicht – von jemandem, der Milliarden verdient hat, die aus unseren Steuergeldern stammen", schreibt Aftonbladet.

Bergström ist aber nur die bekannteste davon. Sie und ihr Mann halten noch 18 Prozent an der IES. Wer eigentlich Eigentümer ist, versuchte die Schulaufsicht im vergangenen Jahr monatelang herauszufinden:

Bisher konnte man einen mexikanischen Großlieferanten von Naturgas auftreiben, einen britischen Fondsverwalter und einen Direktor in Luxemburg, der sein Geld mit Autowäschen in Deutschland gemacht hat.

Aftonbladet

Das Geld, das sich Bergström und andere in die Tasche stecken, fehlt natürlich anderswo – und zwar ganz konkret in den Kommunen, in denen diese Schulen in freier Trägerschaft stehen.