Nordsyrien: Kein grünes Licht für türkische Angriffspläne

Kontrollpunkt des Manbidsch-Militärrats, der mit weiteren türkischen Angriffen rechnen muss. Foto: ANF

Erdogan scharrt auch aus innenpolitischen Gründen mit den Hufen, aktuell passen seine Pläne aber weder Russland und dem Iran noch westlichen Ländern ins Konzept.

Auf dem Teheraner Gipfeltreffen von Russland, der Türkei und dem Iran im Juli hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kein grünes Licht für seine Angriffspläne auf Manbidsch und Tel Rifaat in Nordwestsyrien. Auch beim Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang August in Sotschi bekam er eine Abfuhr.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) fand während ihres Antrittsbesuchs bei ihrem türkischen Amtskollegen ungewohnt klare Worte: "Das Recht auf Selbstverteidigung gilt für alle, aber das Völkerrecht setzt ihm auch zu Recht enge Grenzen. Dazu zählen weder Vergeltung noch Präventivangriffe. Und das gilt eben auch aus Sicht der Bundesregierung für Nordsyrien."

Doch die Gefahr für die autonome Selbstverwaltung in Nordsyrien ist damit noch nicht gebannt. Täglich demonstriert die Türkei mit Drohnenangriffen in Nordsyrien und im Nordirak, dass sie sich trotz der Abfuhren nicht von ihren Plänen abhalten lässt, in den Nachbarländern entlang der türkischen Grenze die militärische und politische Kontrolle zu erhalten.

"Allein seit Anfang dieses Jahres ist die Region 3763-mal von Ankara angegriffen worden. Dabei kamen 33 Menschen ums Leben, 124 Personen wurden verletzt", teilte unlängst der kurdische Dachverband Kon-Med mit. Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien fordert daher eine Flugverbotszone über Nordsyrien, um der Türkei Einhalt gebieten zu können. Gleichzeitig fordert die irakische Regierung den Abzug der türkischen Truppen von irakischem Territorium.

Türkei bombardiert Touristengebiet im Nordirak

Einen Tag nach dem Gipfeltreffen in Teheran bombardierte die Türkei die bei Touristen aus dem Zentral- und Südirak beliebte Ortschaft Parakh in der Nähe der nordirakischen Stadt Zakho nahe der türkischen Grenze. Bei dem Artillerieangriff starben neun arabische Touristen, 22 Menschen wurden verletzt, darunter auch Kinder. Sie gehörten zu einer Reisegruppe aus Nadschaf im Zentralirak.

Das Nato-Mitglied Türkei führt seit Jahren völkerrechtswidrige Militäroperationen in der Region durch, bei denen immer wieder Zivilistinnen und Zivilisten sterben. Die irakische Regierung verurteilte den Angriff als "flagrante Verletzung der irakischen Souveränität", berief eine Dringlichkeitssitzung zur nationalen Sicherheit ein und bestellte den türkischen Botschafter in Bagdad ein.

Gleichzeitig rief sie den UN-Sicherheitsrat an und forderte den Abzug der türkischen Truppen von irakischem Territorium. Für den irakischen Verteidigungsminister Juma Inad bestehen keine Zweifel, dass die Türkei für diesen Angriff verantwortlich ist. "Die Türkei hat den Krieg gegen Daesh [IS] ausgenutzt, um in den Irak einzudringen", sagte Inad und kritisierte, dass die Türkei Forderungen über einen Abzug der türkischen Truppen aus dem Irak ignoriere.

Stattdessen stocke die Türkei ihre Truppenstärke in der kurdischen Autonomieregion des Irak weiter auf. "Im Stützpunkt Zelkan verfügt die Türkei sogar über eine ganze Brigade", erklärte er. Laut einem Untersuchungsbericht des irakischen "Joint Operations Command" wurde die Parkanlage in Parakh mit türkischen 155-Millimeter-Granaten bombardiert.

Der einflussreiche irakische Schiiten-Führer Muqtada as-Sadr forderte ein sofortiges Flugverbot für die Türkei im Irak. Ohne den Aggressor Türkei zu benennen, twitterte das deutsche Generalkonsulat in Erbil, die Angriffe auf Zivilisten seien nicht zu rechtfertigen, der Angriff müsse untersucht werden und die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sprachen in einer gemeinsamen Erklärung "den Familien der Opfer und der Regierung des Irak und der irakischen Region Kurdistan ihr tiefstes Mitgefühl und Beileid aus".

Der Sicherheitsrat kündigte seine Unterstützung bei Ermittlungen an und "forderte alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit der Regierung des Irak und allen anderen zuständigen Behörden aktiv zusammenzuarbeiten, um diese Ermittlungen zu unterstützen."

Auch wenn der Sicherheitsrat die Türkei nicht als Urheberin des Anschlags erwähnte, so dürfte die Botschaft an die Türkei unmissverständlich sein: Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats bekundeten in ihrer Erklärung "ihre Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität, Einheit und territoriale Unversehrtheit des Irak sowie für den demokratischen Prozess und Wohlstand in dem Land".

Anfangs wies die Türkei die Verantwortung für den Angriff auf das Touristengebiet zurück und machte wie üblich die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) dafür verantwortlich. Diese dementierte, da sie in dieser grenznahen Region überhaupt nicht vertreten sei.

Der türkische Nationale Sicherheitsrat (MGK) erwähnte auf seiner Sitzung den Artillerieangriff bei Zakho mit keinem Wort. Stattdessen wird von erfolgreichen "Operationen" im Ausland gesprochen. Seit August 2015 fielen den türkischen Angriffen im Nordirak mindestens 138 Zivilisten zum Opfer.