Gas ist nicht gleich Gas

In der aktuellen Erdgasdiskussion wird meist übersehen, dass es in Deutschland H-Gas und L-Gas mit unterschiedlichen Brennwerten und daher getrennten Leitungsnetzen gibt.

Während es sich beim Gas aus den Niederlanden, wo die förderbaren Vorräte in den nächsten Jahren zur Neige gehen um L-Gas (Low calorific gas) handelt, kommt das H-Gas (High calorific gas) mit einem höheren Brennwert aufgrund seines höheren Methangehalts überwiegend aus Norwegen und Russland. Bei einem Wechsel von einer Gasart zur anderen müssen die Düsen von Heizungsthermen und Gasherden angepasst werden, wofür man Fachleute benötigt, welche die Umstellung vornehmen.

Da Gas nach Volumen verkauft wird, würde ein Kunde, der unvermittelt L-Gas statt H-Gas erhält, weniger Energie erhalten, als er bezahlt. Etwa drei Viertel der deutschen Haushaltskunden wird derzeit mit H-Gas versorgt.

Gasbrennwert

Wie hoch der aktuelle Gasbrennwert ist, hängt von der Zusammensetzung des gelieferten Gases ab. Enthält dieses viel Methan, ist der Wert üblicherweise höher, d.h. der Brennstoff transportiert mehr Energie. Machen inerte Gase wie Stickstoff oder Kohlendioxid, die nicht verbrannt werden können, einen größeren Teil des Gasvolumens aus, ist der Brennwert geringer.

Heizungen gewinnen dann auch unter optimalen Bedingungen weniger Energie und verbrauchen mehr Gasvolumen. Da sich die Zusammensetzung des Rohstoffs je nach Herkunft ändert, müssen Netzbetreiber einmal im Monat den Gasbrennwert ermitteln. Dies wird besonders bei der Einspeisung von LNG wichtig, weil die Zusammensetzung des Gases von Schiff zu Schiff wechseln kann.

L-Gas

Nach der Ära des vielfach lokal erzeugten Stadtgases und den ersten Ferngasnetzen folgte die Umstellung der Versorgung auf Erdgas aus den Niederlanden. Die Niederlande besitzen nach Russland und Norwegen die größten Erdgasvorräte in Europa, als sogenanntes L-Gas mit einem Brennwert von 10 kWh/m3.

In der nördlichen Provinz Groningen und vor der Nordseeküste der Provinz sollen heute noch 500 Milliarden Kubikmeter Erdgas lagern. Doch die Gasförderung sollte eigentlich bis spätestens im Jahr 2025 eingestellt werden, wie die Regierung in Den Haag 2018 beschloss, weil der Boden in der Provinz absackte und Erdbeben auslöste.

Die Beben erreichen bis zu 3,5 auf der Richterskala und haben schon mehr als 13.000 Wohnhäuser beschädigt, teilweise so stark, dass sie unbewohnbar sind. Dies führte zu einer Protestwelle von Bürgern gegen eine weitere Gasförderung und die Niederlande importierten sogar Gas aus Russland. Mit dem EU-Beschluss, kein Gas mehr aus Russland zu importieren, orientiert sich die Politik in den Niederlanden inzwischen neu und will sich von den Zusagen, die Gasförderung einzustellen, wieder Abstand nehmen.

Dann müssten aber die 13.000 beschädigten Häuser schnell saniert und auf ein stabiles Fundament gestellt werden. Die Bevölkerung scheint sich dem politischen Druck zu beugen, fordert aber, dass die Einnahmen aus der Erdgasförderung in der Provinz bleiben.

H-Gas

Mit der Aufnahmen von Gaslieferungen aus Russland und Norwegen, die H-Gas liefern, das mehr Methan und weniger Stickstoff enthält und einen Brennwert von etwa 11,5 kWh/m3 besitzt, müssen die Gasverbraucher in einem von der Bundesnetzagentur eingeleiteten Prozess einzeln von Fachleuten in den jeweiligen Haushalten durchzuführenden Prozess auf die neue Gasqualität umgestellt werden.

Diese sogenannte Marktraumumstellung war bei der Entscheidung gegen russisches Gas noch nicht abgeschlossen. Ob man die Umstellung jetzt aussetzt und weiter niederländisches Gas in das Netz einspeist oder auf die Einspeisung von höhercalorischem LNG wartet, scheint derzeit noch nicht entschieden.

Es ist jedoch eher wahrscheinlich, dass man in noch nicht umgestellten Gebieten H-Gas mit Stickstoff zu L-Gas umwandelt, falls die Lieferungen aus den Niederlanden doch verringert werden sollten.

Bei Gas, das aus dem Vereinigten Königreich in das kontinentaleuropäische Netz geliefert wird, sollen in jüngster einerseits Verunreinigungen festgestellt worden sein, anderseits soll es zu Lieferunterbrechungen gekommen sein, für die es bislang noch keine Begründung gibt.