Von der Gaskrise zur Regierungskrise

Themen des Tages: Warum der Höhenflug der Grünen bald sein realpolitisches Ende finden könnte. Wie soziale Gerechtigkeit erreicht werden kann. Und wie sich der Klimawandel in Südasien zeigt.

Liebe Leserinnen und Leser,

die Gasumlage und, mehr noch, die Gaskrise droht zum Debakel für die Grünen zu werden. Innerhalb der Ampel-Koalition tobt ein heftiger Streit um die sozialen Auswirkungen der kommenden Energiekrise. Und in Pakistan sorgen Klimawandel und Staatsversagen für Leid.

Doch der Reihe nach.

Grüne an der Macht: Wie gefährlich wird ihre Offenheit in der Krise?

Die Gasumlage ist so schnell gekommen, wie sie gescheitert ist. Dass Energieunternehmen in der Gewinnzone staatliche Gelder abgreifen wollten, hat angesichts steigender Preise an Supermarkt- und Tankstellenkassen für einen Sturm der Empörung gesorgt. Denn die Gasumlage war in ihrer anvisierten Form für eine sozial ausgewogene Abfederung der Energiekrise juristisch und politisch derart ungeeignet, dass sie an der Fähigkeit von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) zum Krisenmanagement zweifeln lässt.

Habeck reagierte gemäß seiner gewohnt offenen Kommunikationsstrategie, die – neben Erklärbär-Videos – bei der grünen Klientel und darüber hinaus gut ankommt, weil sie im Vergleich etwa zum Choleriker Helmut Kohl, der Aussitzerin Angela Merkel und dem weitgehend abwesenden Olaf Scholz tatsächlich einen neuen Politstil vermuten lässt.

So räumte Habeck ein, die Komplexität des Gasmarkts unterschätzt zu haben. "Was wir ehrlicherweise nicht wussten, wie verflochten der Gasmarkt ist", wird er in Medien zitiert. Flankiert wurden diese Einlassungen vom Grünen-Parteichef Omid Nouripour, der im ARD-Sommerinterview eingestand, man habe unter "großem Zeitdruck" gehandelt.

Die Gasumlage soll gestiegenen Kosten von Großimporteuren von Erdgas ausgleichen. Über einen Aufschlag von 2,4 Cent pro Kilowattstunde für die ohnehin schon finanziell belasteten Gaskunden sollen die Importkonzerne vor dem Bankrott und die Energiewirtschaft vor dem Kollaps bewahrt werden.

Dieser Ansatz ist nun gefloppt und Habeck steht deutlich unter Druck – innerhalb und außerhalb seiner Partei. Noch ficht das den Minister und seine Partei nicht an: Die Grünen stehen in den Umfragen derzeit besser da als zur Bundestagswahl 2021. Doch wenn der letzte Cent der Wählerinnen und Wähler an der Tankstelle geblieben ist, die letzte Regionalbahn storniert und die letzte Straßenlaterne ausgeschaltet wurde, wird man auch am Platz vor dem Neuen Tor 1 in Berlin verstehen, dass man mit falschen Versprechen nicht regieren kann.

Gaskrise, Steuern und Umlagen

Nun hat Bundeskanzler Scholz (SPD) weitere Entlastungspakete zugesagt. Also, nicht den Konzernen, sondern den Bürgerinnen und Bürgern. Nachhaltig wirkt das alles nicht: Denn just zum Ende des Tankrabattes und den Neun-Euro-Tickets Ende August droht die Inflation noch einmal anzuziehen.

Aktuell negative Effekte werden vermutlich erst im kommenden Monat ihre Wirkung entfalten, prognostiziert Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank: "Allein deshalb sollte die Inflation dann im September einen Sprung um ungefähr einen Prozentpunkt nach oben machen." Deutschland läge dann bei einer Teuerungsrate "vermutlich deutlich über 8,5 Prozent".

Wladimir Putin kann sich diese Entwicklung in Moskau in Ruhe ansehen und den Gashahn drosseln. Nach Ungarn ist ja nun schon Bulgarien aus der Phalanx der Russland-Sanktionierer ausgeschert. Es wird nicht der letzte EU-Staat sein, wie man aus Brüssel hört.

Der Gas- und Psychokrieg auf geopolitischer Eben mündet auf nationalstaatlicher Ebene unmittelbar in heftige sozial- und steuerpolitische Auseinandersetzungen. Denn während die Gasumlage Geschichte ist, drängen vor allem die Sozialdemokraten auf eine Übergewinnsteuer. Die ganz große steuerpolitische Gerechtigkeitsfrage wird von der SPD damit aber, wie schon seit Beginn der Schröder’schen Kanzlerschaft 1997, konsequent umgangen: Wie steht es um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer?

Sie erinnern sich? Unter Kohl war die Steuer auf Vermögen nach dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben worden. Das Vermögensteuergesetz ist aber bisher nicht aufgehoben. Man könnte es ja mal wieder auspacken. Es scheint auf jeden Fall rechtssicherer als eilends zusammengeschusterte Regelungen für Gasumlagen oder kurzfristige Entlastungspakete.

Folgen des Klimawandels – Beispiel Pakistan

In Pakistan geht inzwischen die Welt unter. Aber ist ja weit weg. Dennoch eine Zahl von Telepolis-Autorin Jutta Blume: Pakistanische Politikerinnen und Politiker befürchteten, dass bald ein Drittel der Landesfläche unter Wasser stehen könnte. Blume dazu: "Pakistan ist mit einer Fläche von knapp 800.000 Quadratkilometer mehr als doppelt so groß wie Deutschland."

Das ist freilich alles nicht neu. Bereits vor einem Jahr hatte Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn berichtete, wie in Sibirien schweren Waldbrände wüteten, "während in Burundi, in Teilen des US-Südwestens, in Pakistan, Afghanistan, Südafrika, Großbritannien und Bangladesch Menschen mit extremen Unwettern und Überschwemmungen kämpften".

Erlebt haben wir das ja auch in Deutschland gerade mit einem überdurchschnittlich heißen Sommer, gefolgt von Starkregen. Von Ahrtal ganz zu schweigen.

All das zeigt: Der Klimawandel ist Realität. Daran ändert auch nichts, wenn Klimawandelleugner eine rote Verschwörung beim Design öffentlich-rechtlicher Wetterkarten sehen.