Vorwurf der Spionage: Robert Habeck verspielt Vertrauen bei eigenen Beamten

Nach angeblichem Spionageverdacht im Bundeswirtschaftsministerium herrscht gegenseitiges Misstrauen. Wurde der Verfassungsschutz auf Beamte angesetzt, um Kritiker einzuschüchtern?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zuletzt viel Vertrauen verspielt – nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in seinem Ministerium. Wie das Handelsblatt nun berichtet, gibt es unter den Beamten große Verunsicherung und Zweifel an der Integrität des Ministers.

Auslöser für die Unruhe ist ein angeblicher Spionagefall: Habecks Vertraute hatten den deutschen Inlandsgeheimdienst auf zwei Beamte angesetzt, die offenbar in Fragen der Gasversorgung der Bundesregierung eine andere Meinung vertraten als der Minister. Die Zeit hatte Anfang September über den Fall berichtet.

Habeck Vertraute seien demnach im Frühjahr auf Unstimmigkeiten gestoßen. In internen Papieren zu Nord Stream 2 und dem Füllstand der Gasspeicher hätte es "nur so von Verständnis für die russische Sicht getrieft", heißt es in dem Artikel der Zeit. Zudem sei auffällig gewesen, "dass die Argumentation oftmals nicht zur offiziellen Linie der Bundesregierung gepasst habe".

Bei allen großen Diskussionen des Winters, die sich um das Thema Gaslieferungen drehten, hätten die für das Thema zuständigen Ministerialbeamten eine Position eingenommen, die meilenweit von der politischen Linie ihres Ministers abgewichen sei: Bei der Entscheidung, die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen. Bei Gazprom Germania, das im April unter treuhänderische Verwaltung gestellt wurde. Oder bei der milliardenschweren Rettung des Gasversorgers Uniper.

Die Zeit vom 1. September 2022

Die beiden Beamten wurden vom "Verfassungsschutz" durchleuchtet und gefunden wurde: nichts. Außer, dass einer der beiden einen Studienaufenthalt in Russland hatte.

Einen Tag nach Erscheinen des Zeit-Artikels kommt es im Bundeswirtschaftsministerium zu einer Krisensitzung. Aus dem Protokoll des Treffens geht laut Handelsblatt hervor: Es hat "überhaupt keinen konkreten Spionageverdacht gegen die beiden in Rede stehenden Ministeriumsmitarbeiter gegeben". Der Verdacht hätte sich auch nie erhärtet. Zudem gelten die beiden Beamten als hochkompetent und loyal.

Patrick Graichen, Energie-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsminister und enger Vertrauter von Habeck, versuchte laut Protokoll zu beschwichtigen. Von vollem Vertrauen in alle Beamte soll laut Handelsblatt die Rede gewesen sein.

Eine Aussage von Graichen kann aber auch als Hinweise auf einen Grund für die Anzeige beim "Verfassungsschutz" gelesen werden:

Das Wirtschaftsministerium habe "jahrelang russlandfreundliche Politik gemacht". Seit die Grünen nun das Ruder in der Hand hätten, habe sich das grundlegend geändert, so sieht es Graichen.

Handelsblatt, 18.09.2022

Damit steht der Verdacht im Raum, dass Habecks Vertraute unliebsame Kritiker mundtot machen wollten. Und so wurde der Vorfall offenbar auch von den Ministerialbeamten aufgenommen. In dem Protokoll der Krisensitzung erklärte demnach einer: "Wenn ich meine Fachmeinung kundtue, dann besteht die Möglichkeit, dass ich in den Verdacht gerate, ‚Russenversteher‘ zu werden."

Viele Beamte im Bundeswirtschaftsministerium sind wegen des Einsatzes des "Verfassungsschutzes" gegen die eigenen Mitarbeiter irritiert. Den älteren unter ihnen sei kein Vorgang bekannt, dass ein Wirtschaftsminister je die "Dienste" auf seine eigenen Leute ansetzte.

Und so wird inzwischen gespottet, dass inzwischen eine fundierte abweichende Einschätzung der Lage ausreiche, damit die Hausspitze den Verfassungsschutz einschalte.

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