Trauer für die Queen – und was ist mit den Opfern der Monarchie?

Queen Elisabeth II mit den Staats- und Regierungschefs des Commonwealth auf der Commonwealth-Konferenz 1960. Bild: Public Domain

Milliarden von TV-Zuschauer:innen, Milliarden für eine Trauerzeremonie. Was wie ein globales Märchen erscheint, ist es nicht für alle. Was hinter Empire und Commonwealth steckt.

Die britische Queen Elizabeth II. lebte ein langes und erfülltes Leben. Sie hinterlässt Familie und Freunde, die um sie trauern. Aber nicht nur die, die sie umgaben, trauern, sondern eine ganze Nation. Viele Menschen überall auf der Welt nehmen Anteil an ihrem Tod – vor allem in den reichen Industriestaaten.

Dass Elizabeth mehr repräsentiert als eine Person, die ein Amt in Großbritannien innehatte, lässt sich allein an einigen Eckdaten erkennen: Die Trauerfeier kostet nach Angaben der Economic Times in Indien rund 6 Milliarden Pfund. Man rechnet zudem damit, dass rund vier Milliarden Menschen auf der ganzen Welt das Staatsbegräbnis am Fernseher mitverfolgen werden. Es wäre damit das größte TV-Ereignis aller Zeiten.

Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, warum Elizabeth II. so viel Aufmerksamkeit, Neugier und Anteilnahme auslöst. Die 96 Jahre alt gewordene Monarchin wurde schon zu Lebzeiten verehrt. Sie galt als höflich und verbindlich, pflichtbewusst bis zur Selbstvergessenheit, dem Amt treu ergeben und in ihrer Ausstrahlung positiv, wenn auch in ihrer Haltung streng und zuweilen kompromisslos.

Zugleich wurde das britische Königshaus und die Königsfamilie unter ihrer Regentschaft zu einer gigantischen, buchstäblich endlosen Boulevard- und Medienserie, die schließlich in einer Netflix-Serie ihre Entsprechung fand. Die Massenmedien machten die Queen erst zu dem, wofür sie heute steht: Eine über den Wirren der Zeiten stehende "besonnen, wohlmeinende Königin", wie sie uns eigentlich nur aus Märchenerzählungen vertraut sind.

Aber hinter den menschlich-allzumenschlichen Familiendramen im Buckingham Palace, dem Pomp und der Etikette, den Erinnerungen an die "guten alten Zeiten" des britischen Empire und der Aura einer Superlativ-Queen, liegt eine Erzählung, die in den Ländern, in denen nun am meisten getrauert und Anteil genommen wird, selten Raum gegeben wird. Und wenn, dann nur in homoöpathischen Dosen.

Denn die britische Queen ist ja nicht Vorsitzende eines wohltätigen Vereins gewesen oder repräsentierte, wie im Fall von Nelson Mandela, dessen Tod ebenfalls weltweit betrauert wurde, eine gesellschaftliche Bewegung, die Unrecht mit Mut und Opferbereitschaft beseitigte. Elizabeth II. steht für ein monarchisches Erbe, das sie übernahm und in den letzten Jahrzehnten vertrat: das britische Empire und den Commonwealth.

Daher sind die Reaktionen in den Ländern, die unter der Herrschaft des Empires zu leiden hatten, etwas anders als im reichen Westen. So reagierte Dorbrene O’Marde, Vorsitzende der Wiedergutmachungskommission der Karibikinseln Antigua und Barbuda, die Teil des Commonwealth sind, mit folgenden Worten auf den Tod der Queen:

Ich fühle mich nicht verpflichtet dazu, ihren Tod zu betrauern. Und das liegt einfach an meinem Geschichtsverständnis, an meinem Verständnis der Beziehungen der britischen Monarchie zu afrikanischen und asiatischen Völkern. Es liegt an meinem Wissen über die Rolle, die Königin Elizabeth II. gespielt hat, wie es ihr gelungen ist, die historische Brutalität des Imperiums mit einer Fassade von Größe, Prunk und sicherlich auch Anmut zu verdecken. Wir müssen uns jetzt mit dieser Geschichte viel genauer befassen.

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