Beschämendes Chaos mit System: US-Migrationspolitik

Grenze zwischen USA und Mexiko. Bild: US-Army, Sgt. 1st Class Gordon Hyde/gemeinfrei

Wahlkampf Midterms: Die ultrarechten Republikaner Greg Abbott und Ron DeSantis lassen Migranten in Hochburgen der Elite der Demokraten bringen. Die Kritik von Präsident Biden spricht Bände. Auch die Parole der Demokraten heißt: "Don't come."

Die Republikanische Partei ist in Bedrängnis. Das Dobbs Urteil des Obersten Gerichts, das Abtreibungen in vielen Bundesstaaten praktisch unmöglich macht, bringt moderate Republikaner in Erklärungsnot, und die Rechtsstreitigkeiten der Galionsfigur Donald Trump nehmen kein Ende.

Zeit also, für die altehrwürdige Partei, einen Klassiker rechtskonservativer Wahlkampf-Programmatik aus dem Hut zu ziehen: Immigration. Denn die Angst vor Immigranten und Asylsuchenden, besonders "Illegalen", hat die republikanische Wählerschaft bisher noch immer mobilisiert, besonders während der Legislaturperioden der Demokraten.

Während Trumps Amtszeit wurden immer wieder angsteinflößende Hirngespinste, unter anderem eine "Karawane voller illegaler Einwanderer", unter denen sich auch Terroristen befinden sollen, heraufbeschworen, um die Wählerschaft durch Panikmache an sich zu binden.

Die Wirklichkeit an der südlichen Grenze der USA mit Mexiko sieht anders aus; allerdings auch nicht gut.

Wie Politico berichtet, sind die letzten beiden "politischen Stunts" in dem Versuch, die Aufmerksamkeit auf das Thema Immigration zu lenken, den republikanischen Gouverneuren Ron DeSantis aus Florida und Greg Abbott aus Texas zuzuschreiben.

Die beiden prominenten Republikaner veranlassten den Transport größerer Gruppen von Migranten von der südlichen Grenze der USA in Hochburgen der Demokraten. Abbott schickte am Donnerstag letzter Woche eine Gruppe mit zwei Bussen zu einem Ort in Washington, unweit der Residenz der Vizepräsidentin Kamala Harris. DeSantis delegierte seinerseits vergangenen Mittwoch eine weitere Gruppe per Flugzeug nach Martha's Vineyard.

Präsident Biden zeigte sich schockiert über das rücksichtslose politische Manöver. Er beschuldigte die Republikaner während einer Gala des "Congressional Hispanic Caucus", dass sie Migranten für ihre politischen Spiele missbrauchen.

Heuchelei der Demokraten

Diese Form der Kritik spricht Bände: Biden prangert nicht die menschenunwürdige Behandlung von Migranten an der Süd-Grenze der USA generell an, sondern nur die Instrumentalisierung der Schicksale der betroffenen Menschen gegen ihn persönlich und seine Regierung.

Eine tiefergehende Diskussion zu dem Thema kann auch nicht im Interesse einer Regierung liegen, deren generelle Einstellung zur Migration über die südliche Grenze der USA in Kamala Harris Botschaft an mögliche Auswanderer in Guatemala zusammengefasst werden kann: "Don’t Come!"

Die Ziele der unfreiwilligen Reisegruppen waren schlau gewählt, denn Washington und Marthas Vineyard sind nicht nur Hochburgen der Demokraten, sondern auch Enklaven, in denen sich die angeblich so liberale Oberschicht der Demokraten zurückzieht, um unter sich zu sein.

Falls es also im Interesse der Republikanischen Gouverneure gewesen wäre, auf die Heuchelei der Eliten der Demokraten in Bezug auf Immigrationspolitik hinzuweisen, könnte man die Aktion als gelungen betrachten.

In aller Wahrscheinlichkeit geht es den beiden Agitatoren aber eher darum, ein überlastetes Immigrationssystem noch weiter zu strapazieren.

Ziel der Taktik ist es zu verdeutlichen, dass die USA schlicht nicht in der Lage sind, die wachsende Immigration über die Süd-Grenze zu verwalten, und daher jede Form der Einwanderung – legal oder illegal – abzulehnen sei.

Realitätsferner Biden

Aber auch wenn diese menschenverachtende, rassistisch konnotierte und eventuell illegale Verschiffung migrantischer Menschen mehr Chaos verursacht als nötig, ist Bidens Antwort auf die Aktionen realitätsfern: Die Regierung, so der Präsident, habe ein Verfahren für Migranten an der Grenze am Laufen und die Republikaner sollten sich nicht mit "politischen Stunts" einmischen.

Die Lage an der Süd-Grenze der USA ist nämlich beschämend. Seit dem 1. Oktober 2021 starben laut CNN, nach Angaben von "Homeland Security", ca. 750 Menschen bei dem Versuch, die Grenze zu überqueren. Das sind ungefähr 200 mehr Tote im Vergleich zum gleichen Zeitraum von Oktober 2020 bis September 2021.

Unterdessen scheint sich die Beziehung zwischen dem Weißen Haus und der "Homeland Security" weiter zu verschlechtern, denn auch die Behörde ist überzeugt, dass die Strukturen an den Grenzstaaten nicht ausreichen, um den steigenden Andrang von Menschen zu bewältigen. Angeblich überschreiten derzeit 8.000 Menschen die Grenze in die USA.

Angeblich hätte das Weiße Haus ab einer Anzahl von 9000, ohnehin damit begonnen, den Menschenstrom landein umzuleiten, um die Grenzstaaten zu entlasten. Die Medienaktionen von Abbott und DeSantis kommen also gerade noch rechtzeitig, um eine Reaktion bei den Demokraten hervorzurufen, und damit das derzeit von Biden verwaltete Elend des US-Immigrationssystems auf die mediale Tagesordnung zu setzen.